Martina Mara erforscht das Unbehagen mit Robotern.

Foto: Dominik Gigler

Ist er schon unheimlich oder noch niedlich, der Androide "Telenoid“? Bei der diesjährigen Ars Electronica in Linz konnten Besucherinnen und Besucher mit dem humanoiden Roboter des Japaners Hiroshi Ishiguro kuscheln. Der Telepräsenzroboter ist knapp einen Meter groß, weiß, hat Rumpf und Armansätze, aber keine Beine und wirkt geschlechts- und alterslos. Das bewusst abstrakt gehaltene Design soll ermöglichen, dass er jede beliebige Person repräsentieren kann. Bei einem Ferngespräch umarmt man statt des geliebten Menschen, der via Kameraübertragung live dabei ist, dann seinen Stellvertreter "Telenoid“, der aktiv zurückkuschelt. Das ist beim Erstversuch zumindest – befremdlich.

Akzeptanz oder Ablehnung

Und genau da kommt Martina Mara ins Spiel. Sie erforscht am Ars Electronica Futurelab eben dieses Unbehagen, das die meisten Menschen angesichts solcher androider Roboter befällt. "Es ist ein schmaler Grat zwischen Akzeptenz und Ablehnung", erklärt die 33-jährige. "Sind die Roboter zu menschenähnlich, wirken sie unheimlich, sind sie eher abstrakt, wirken sie eher niedlich." Das sei bereits seit den 70er-Jahren bekannt und werde als theoretisches Konzept "Uncanny Valley", also "Unheimliches Tal" genannt. Als Kurve gedacht steige der Grad der Akzeptanz mit dem Grad des menschlichen Aussehens, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Werde der Roboter beinahe perfekt, kippe der Effekt ins Gegenteil.

Nur etwa zehn SozialwissenschafterInnen weltweit beforschten diese Phänomene im Detail, erzählt die Linzerin Mara, die gerade ihre Doktorarbeit an der Universität Koblenz-Landau dazu verfasst hat. Ob die Geschlechtswahrnehmung bei der Einschätzung von Androiden eine Rolle spiele, sei noch zu wenig beforscht: "Es gibt wahrscheinlich zwei Faktoren, die eine Rolle spielen", erklärt sie, "geringe Kategorienklarheit und vermutetes Bedrohungspotenzial".

Öffentliche Diskussion

Sie findet, dass "es allerhöchste Zeit ist, dass Fragen der Akzeptanz von Robotern öffentlich diskutiert werden." Vor allem im Gesundheitsbereich werde durch den demografischen Wandel das Thema schon in absehbarer Zeit eine Rolle spielen. "Die Japaner haben das schon erkannt und beforschen das intensiv", erzählt Mara. "Dort werden vielleicht schon in fünf Jahren Krankenschwestern durch Roboter ersetzt." Aber auch auf Europa käme das Thema zum Beispiel in Form von selbstfahrenden Autos zu. "Da muss man sich anschauen: Was können wir Menschen akzeptieren? Wie müssen die beschaffen sein, damit wir damit umgehen können?", ist sie überzeugt.

"Schon um 2020, 2030 wird es Geistertaxis ohne Fahrer geben", erzählt sie. "Wie sollen die aussehen, wie wollen wir mit denen kommunizieren? Verbal? Oder über Interfaces?" wirft sie diverse Fragen auf und ergänzt: "Das Thema ist noch viel zu wenig beachtet." Gerade in den Einführungsphasen solcher Technologien werde es zu "Angst vor Kontrollverlust" bei den Menschen kommen. Deswegen forsche man am Futurelab intensiv mit "Mercedes-Benz" an "der Fußgängerperspektive". "Inwiefern ist es wichtig, dass Roboterautos proaktiv kommunizieren?" sei eine der Fragen, die sie zu klären versuche.

Stilles Einverständnis

"Stellen Sie sich vor, sie stehen an einem Zebrastreifen und wollen ihn überqueren. Normalerweise würden Sie Blickkontakt herstellen, wenn Sie sicher gehen wollen, dass ein herankommendes Auto bremst. Was aber, wenn es keinen Fahrer gibt?", sagt die Medienpsychologin. "Auch wenn es technisch nicht notwendig ist, wird dieses stille Einverständnis vielleicht für uns Menschen auch mit dem Roboter notwendig sein.“

Um herauszufinden, ob dies eher verbal oder durch Gesten herzustellen sei, erforscht Mara anhand so genannter Spaxels, einer Art fliegender Roboter oder Drohnen. "Das sind Quadrocopter mit 60 mal 60 Zentimeter Länge, wenn man denen auf Augenhöhe in die Flugbahn läuft, macht das schon einen Effekt", erklärt sie eine Versuchsanordnung. So viel ist schon jetzt klar: "Es gibt sozialisierte Verkehrsraumgesten“, sagt sie. Wie diese zum Beispiel aber auch interkulturell, also universell funktionieren könnten, sei noch unklar. Es bleibt also noch viel zu erforschen in der Mensch-Roboter-Beziehung. "Vielleicht brauchen wir dafür eine völlig neue Designsprache", sinniert Mara und umarmt für ein Foto noch einmal den "Telenoid". (Tanja Paar, dieStandard.at, 10.9.2014)