Maschinenbau in Chalkida für den Export: Die Massenarbeitslosigkeit findet draußen statt.

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Schwarze Fahnen wehen auf den Fabriktürmen aus Trotz und als Protest. Ein griechisches Gericht mag im vergangenen Jahr den Heracles-Zementwerken, einer Tochter der französischen Lafarge-Gruppe, wohl untersagt haben, ihre 229 Arbeiter zu kündigen. Doch in Chalkida, dem Hauptort auf der Insel Euböa, eine Fahrtstunde weit von Athen, glaubt kaum jemand noch, dass einmal wieder Zementsäcke aus dem Werk gefahren werden.

Griechenland steht still, auch wenn der Regierungschef an seiner Zahl festhält: 0,6 Prozent Wachstum wird es dieses Jahr geben, sagt Antonis Samaras voraus. Es wäre das erste Plus in sieben Jahren. Auf Euböa, nach Kreta der zweitgrößten Insel in Griechenland, sieht es noch nicht danach aus.

15 große mittelständische Unternehmen gab es im Industriegebiet von Chalkida. Nur zwei haben die Krise überlebt, erzählt Dimitris Tsomokos, ein Manager des Anlagenbauers Sabo. Der griechische Markt interessiert ihn nicht. Sabo produziert für das Ausland: Maschinen für Ziegelwerke, ganze Fabriken, schlüsselfertig, wenn der Kunde es wünscht.

1,3 Millionen ohne Job

In den Werkshallen werden gerade Anlagen montiert, die in die Türkei, nach Saudi-Arabien und Peru verschickt werden. Ein Vertreter der Wienerberger Ziegelwerke in Ungarn lässt eine neue Maschine testen. 250 Menschen arbeiten bei Sabo, darunter viele junge Ingenieure von den Hochschulen. Griechenlands Massenarbeitslosigkeit ist draußen vor den Toren: 26 Prozent, offiziell 1,3 Millionen ohne Job.

Griechenlands De-facto-Bankrott vor vier Jahren hätte auch den Maschinenbauer am Stadtrand von Chalkida schwer mitgenommen, wäre die Europäische Investitionsbank (EIB) nicht bald eingesprungen. Sie übernimmt Kreditbürgschaften, die griechische Banken für ihre Firmenkunden nicht mehr geben können. Die Liquiditätskrise hat vielen Unternehmen die Luft abgeschnürt. "Wir haben damals eine Menge Aufträge verloren", erinnert sich Tsomokos, der Sabo-Manager.

Pleitejahr 2013

Im Industriegebiet von Chalkida, einer Stadt mit 100.000 Einwohnern, schlugen Schuldenkrise und Rezession mit voller Wucht zu. Neoset, ein Möbelhersteller, schloss 2013 sein Werk und setzte 700 Mitarbeiter auf die Straße; das Unternehmen meldete im Frühjahr Konkurs an. Shelman, ein schweizerisch-griechisches Unternehmen, das Holz verarbeitet, gab ebenfalls 2013 auf; 170 Beschäftigte verloren ihren Job.

"Wir haben den Boden erreicht", sagt Dimitris Tsomokos über die Krise in seinem Land. "Jetzt müssen wir einfach weitergehen." Die griechische Regierung und die Banker wollen dasselbe Gefühl vermitteln. Das Klima sei besser geworden, der Arbeitsmarkt stabilisiere sich, das Tourismusgeschäft habe alle Rekorde geschlagen, sagte dieser Tage Giorgos Zannias, Chef der National Bank of Greece, des größten Geldinstituts des Landes. Premier Samaras kündigte Steuererleichterungen an. Das schlimmste Stück des jahrelangen Sparkurses liegt hinter uns, sollte das heißen. Die Heizölsteuer wird wieder gesenkt, gar um 30 Prozent, versprach Samaras bei der Eröffnung der Handelsmesse in Thessaloniki am vergangenen Wochenende.

Billigere U-Bahn-Tickets

Besitzer leerstehender Wohnungen und Häuser - der Immobilienmarkt ist zusammengebrochen - sollen 20 Prozent Nachlass bei der Steuer auf Immobilien bekommen. Auch die Fahrscheine für die U-Bahn in Athen sind seit Monatsbeginn wieder um 20 Cent billiger geworden; die Preiserhöhungen im öffentlichen Transport waren ebenfalls ein Einfall von Griechenlands Kreditgebern.

Theoretisch läuft die Kredithilfe von EU und EZB zum Jahresende aus, während der IWF noch bis 2016 zahlt. In der Praxis erwartet jeder eine Verlängerung der Kredithilfe. Dies wird auch Thema beim Treffen der Finanzminister der Eurozone am Freitag in Mailand sein.

"Wir sind in einer Übergangsphase", stellt Michael Vassiliades fest, ein Ökonom bei der Stiftung für Wirtschafts- und Industrieforschung (IOBE); es werde weiteren Stellenabbau geben, aber auch neue Jobs, vor allem in exportorientierten Unternehmen wie in Chalkida. Andere Ökonomen sind pessimistischer. Strukturreformen sind bewusst versäumt worden, sagt Michael Mitsopoulos. Steuererhöhungen, besonders beim Energieverbrauch, haben dafür die griechische Privatwirtschaft zerstört: "Der Schaden ist eigentlich so groß, dass er nicht mehr reparabel ist." (Markus Bernath aus Chalkida, DER STANDARD, 10.9.2014)