Die ursprüngliche "Unsterblich"-Banner - später wurde Rot durch Violett ausgetauscht.

Zum Vergleich: Banner von "Blood and Honour".

Facebook-Posting eines der Angeklagten.

Nazisymbole im Stadion, "Blut und Ehre"-Tattoos, Hitlergrüße und rassistische Gesänge: Mehrere der Angeklagten im Prozess rund um den Angriff auf einen türkischen Verein im Wien-Favoritner Ernst-Kirchweger-Haus sind für Verfassungsschützer und Austria Wien wegen ihrer rechten Umtriebe keine Unbekannten.

Sie nennen sich "Unsterblich Wien" und lassen Ideologien ihrer verstorbenen Urgroßeltern aufleben – Fußballfans sind sie nebenbei. Mit Vereinsrivalität und nationalen Grenzen nehmen sie es nicht so streng, wenn es darum geht, sich mit anderen rechtsextremen Fangruppierungen zusammenzutun – etwa mit "Ultras Slovan Bratislava", die im Stadion ganz offen Adolf Hitler huldigen.

"Von Neonazis unterwandert"

Bisher war "Unsterblich“ außerhalb der politikinteressierten Fußballszene kaum bekannt, bei Rechtsextremismusforschern aber sehr wohl: Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands warnt, "Unsterblich" werde "seit Jahren systematisch von Neonazis unterwandert".

Medienecho erlangte die Gruppe mit jener Aktion, die seit dem vergangenen Dienstag im Wiener Landesgericht Gegenstand eines Strafprozesses ist: Rund 40 Personen aus dem "Unsterblich“-Umfeld drangen in das Ernst-Kirchweger-Haus vor, wo unter anderem der linke türkische Verein ATIGF untergebracht ist. Zudem lud die kommunistische Gewerkschaft KOMIntern just an jenem Vormittag zu einer Konferenz in den Räumlichkeiten. Es kommt selten vor, dass in den ATIGF-Räumen so viele Menschen versammeln wie an jenem Tag.

Auch die Angreifer hatten wohl nicht damit gerechnet, mehr als eine Handvoll Menschen anzutreffen. Es gelang ihnen zwar, einen der Gewerkschafter, Rudolf F., krankenhausreif zu prügeln, sie wurden aber bald in die Flucht geschlagen.

Was danach geschah, ist unklar – und zentrales Thema des Prozesses. Fest steht, dass mehrere linke Gewerkschafter den Angreifern auf der Straße gefolgt sind. Auch mehrere Jugendliche, die in der Umgebung Ball spielten, sowie aufmerksame Passanten hätten sich dem Tumult angeschlossen, heißt es. Wer dann schließlich einem der mutmaßlichen Angreifer Schläge auf den Kopf verpasst hatte, weiß man nicht. Jedenfalls sind nun zwei KOMIntern-Funktionäre ebenfalls wegen Körperverletzung angeklagt.

Polizei ermittelte wegen Wiederbetätigung

Aus der Sicht der Anwesenden im EKH besteht kein Zweifel, dass es ein rassistisch motivierter Angriff auf den türkischen Verein war, sie berichten von "Scheißausländer"- und "Scheißkanaken“-Rufen. Ein Zeuge sagte aus, er habe einen der nunmehr Angeklagten gesehen, wie er auf offener Straße den Hitlergruß machte. Dieser Vorwurf findet sich auch noch im Abschlussbericht der Polizei vom 1. Februar 2014.

Im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 20. 3. ist davon nichts zu lesen. Der Vorwurf der Wiederbetätigung "hat sich im Ermittlungsverfahren in Summe nicht erhärtet", sagt StA-Wien-Sprecherin Nina Bussek auf derStandard.at-Anfrage.

Die Schrift legt sieben Männern aus dem "Unsterblich“-Umfeld zur Last, sich des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht zu haben, einem der Angeklagten wirft sie zusätzlich Körperverletzung vor, weil er für die Attacke auf Rudolf F. verantwortlich gemacht wird. Von einem politischen Hintergrund ist in der Anklage keine Rede. Auch geht der Staatsanwalt nicht davon aus, dass sich die Angreifer dazu verabredet hätten, Menschen tätlich anzugreifen – dann wäre nämlich eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung erfolgt.

Austria "überrascht"

Dass sich vom politischen Hintergrund der „Unsterblich“-Bewegung in der Anklage nichts findet, sorgt nicht nur bei ATIGF für Unverständnis. Auch Andreas Trimmel, Spielbetriebsleiter und Sicherheitsbeauftragter der Austria Wien, zeigt sich im derStandard.at-Gespräch "überrascht". Er befürchtet, dass die rechtsradikale Fanszene durch das Verfahren ermutigt werden könnte: "Für diese Herrschaften ist ein Verfahren wegen Körperverletzung eine Lappalie, die erleben das ja laufend", so Trimmel. "Wenn das Urteil milde ausfällt, fühlen sie sich gestärkt", glaubt der Austria-Funktionär. "Dann müssen wir wachsam sein."

Seit 2008 trat "Unsterblich Wien" immer öfter mit Bannern mit Neonazi-Symbolik wie dem Keltenkreuz oder dem Reichskriegsadler im Stadion auf. Dass das "Unsterblich"-Logo selbst vom Logo des rechtsextremen Netzwerks "Blood and Honour" abgekupfert ist, lässt sich unschwer erkennen (siehe Bilder oben links). Immer wieder fielen Mitglieder der Szene auch mit Parolen wie "Hitler ist mein Freund" oder "Zyklon B fürn FCW" (Abkürzung für FC Wacker Innsbruck, Anm.) auf. Einer der Angeklagten zählte laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands auch zu den sechs österreichischen Adressaten jenes "Manifests", das der norwegische Massenmörder Anders Breivik kurz vor seiner Tat an rund 1000 Adressen versendet hatte.

Schon zuvor beim EKH

Im September 2011 ermittelte die Staatsanwaltschaft Wien gegen Mitglieder der Gruppe, weil diese – auf Video dokumentiert – beim Einmarsch ins Stadion Hitlergruß und Kühnengruß zeigten, das Verfahren wurde jedoch eingestellt (derStandard.at berichtete). Auch das EKH war bereits im April 2013 zur Zielscheibe eines "Unsterblich"-Angriffs geworden, diesmal hatte man sich jedoch darauf beschränkt, Bierflaschen auf das Gebäude zu werfen.

Die Angeklagten aus dem "Unsterblich"-Umfeld leugnen die ihnen zur Last gelegten Anklagepunkt Hausfriedensbruch und – im Fall des Zweitangeklagten – Körperverletzung. Sie hätten sich zwar unweit des EKH in einem Lokal eingefunden, dies jedoch nur, um danach gemeinsam das Derby in der Generali Arena zu besuchen.

Dass es nicht dazu kam, lag wohl nicht nur daran, dass die sieben Angeklagten nach dem Vorfall beim EKH festgenommen wurden – auch ohne Zwischenfall und Polizeieinsatz hätte man die sieben nunmehr Beschuldigten nicht ins Stadion gelassen, sagt Austria Funktionär Trimmel: Sechs der sieben Angeklagten haben Hausverbot im Heimstadion des Vereins, sie seien "wegen ihrer rechten Umtriebe" bekannt. "Sie wären sofort weggewiesen worden“, so Trimmel.

Rechtsextreme Postings

Auch auf Facebook prahlten manche der Angeklagten immer wieder mit eindeutig rechtsextremen Inhalten, wie mehrere Screenshots, die derStandard.at vorliegen, beweisen. Ein Angeklagter postete stolz sein "Blut und Ehre"-Tattoo, ein anderer postete ein Foto spanischer Hooligans beim Vorführen des Hitlergrußes – mit den knappen Worten "Freunde und Kameraden". Ein weiterer Angeklagter lobte auf seinem Facebook-Profil Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß (siehe Bild links).

Dass sich unter den Angeklagten auch ein Rapid-Fan findet, überrascht Austria-Funktionär Trimmel nicht: Dass Rechtsradikale über Vereinsgrenzen hinweg gemeinsam auftreten, etwa im Zusammenschluss "Eisern Wien", ist bekannt – "da hebt sich jede Rivalität auf".

Bis "Unsterblich Wien" der offizielle Fanklub-Status aberkannt wurde, dauerte es mehrere Jahre, immer wieder war der Verein deswegen kritisiert worden (derStandard.at berichtete). Nun gibt es Hausverbote für 39 Fans, die jedoch nur fürs Heimstadion gelten. Um ein österreichweites Stadionverbot durch den Strafsenat der Bundesliga zu erwirken, müssten konkrete Vorwürfe vorliegen, sagt Trimmel – eine strafrechtliche Verurteilung im EKH-Prozess könnte ein solcher Anlass sein. (Maria Sterkl, derStandard.at 15.9.2014)