Das Wasser ist in Sisak zurück.

Foto: Adelheid Wölfl

Frau Miokovic vor ihren Bienenstöcken.

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Die Hühner in Staro Pracno sind empört. Sie beobachten seit Tagen, wie das Wasser in ihrem Obstgarten höher steigt. Dort, wo sie sonst zwischen Fallobst herumstolzieren, ist ein Teich entstanden. Deshalb müssen die Hühner von Staro Pracno jetzt neben den weißen Sandsäcken spazieren, die vor jedem Haus, an jeder Straße liegen. Sie gackern und glotzen auf das Wasser, das hier nicht sein sollte.

Das Dorf in der Nähe der zentralkroatischen Stadt Sisak wurde heuer zum zweiten Mal überschwemmt. Bereits im Februar war das Wasser die Hausmauern hinaufgekrochen, hatte elektronische Geräte zerstört und Menschen verjagt. Frau Miokovic erzählt, dass das Wasser zunächst von hinten über das Maisfeld gekommen sei und dann in den Garten. Die Imkerin stellte ihre 80 Bienenstöcke also auf Holzsockel. Doch dann stieg das Wasser weiter, überflutete den Salat und die Bohnenschoten und erreichte schließlich beinahe die Schlitze in den Bienenstöcken, in die die Bienen hineinfliegen. Also mussten diese evakuiert werden.

Normalerweise kann Frau Miokovic 3000 bis 4000 Kilo Honig pro Jahr produzieren. Das Wasser, das aus allen Richtungen, von unten und von oben kam, hat die Honigproduktion aber praktisch ausfallen lassen. Heuer kann die Familie vielleicht 300 Kilo schleudern. Das bedeutet einen Verlust von etwa 20.000 Euro. "Die Einzigen, die sich über den Regen freuen, sind die Enten", sagt Frau Miokovic und zeigt auf die Tiere, die durch den Gatsch watscheln.

Vollgesoffener Boden

In Staro Pracno kommen gleich drei Flüsse zusammen: die Sava, die Kupa und die Odra. Seit etwa zehn Tagen sind alle drei Gewässer bis zur Böschung überfüllt. Dadurch ist auch das Grundwasser gestiegen. "Der Boden ist so vollgesoffen, dass das Wasser aus meinem Brunnen herauskommt", erzählt Ivica Cihor im Nachbarort Letovanic, der von den Fluten am schlimmsten betroffen ist. Zwanzig Häuser stehen inmitten von Seen. Die Straße wird mit einem dicken roten Pumpschlauch, der wie eine Schlange im Kanal liegt, vom Wasser befreit. "Sonst ist es schön hier zum Schwimmen und Fischen, aber die Fluten sind die Folge von dem, was der Mensch der Natur antut", sagt Cihor.

Vor Letovanic ist der Damm bereits im Februar gebrochen. Da half auch das Pumpen nichts mehr. Nun haben die Feuerwehrleute, Soldaten und freiwillige Helfer, tage- und nächtelang Sandsäcke über Sandsäcke aufgetürmt, damit das Wasser nicht die wunderschönen alten Holzhäuser erreicht. Feuerwehrhauptmann und Bürgermeister Stjepan Kusan, der den Hilfseinsatz koordiniert, ist trotz der Katastrophe "die Ruhe an sich". Aber er sorgt sich um die Leute im Dorf. "Die haben noch nicht die Überschwemmungen vom Februar verkraftet, und jetzt ist das Wasser wieder hier." Es gibt zwar Strom, aber kein Trinkwasser. Am schlimmsten sind die sozialen Folgen. Ohne Familien und Caritas wäre es nicht zu schaffen. (Adelheid Wölfl aus Sisak, DER STANDARD, 17.9.2014)