Die zielstrebige Logistikforscherin Yasanur Kayikci ist Femtech-Expertin des Monats.

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Schon als kleines Mädchen verbrachte Yasanur Kayikci viel Zeit am Wasser. In ihrer Heimatstadt Istanbul beobachtete sie jeden Tag die großen Containerschiffe am Bosporus und den Umschlag am Hafen. Irgendwann zu dieser Zeit beschloss sie, einmal einen Beruf auszuüben, der etwas mit Verkehr und Logistik zu tun hatte.

Heute erforscht die 1975 geborene Türkin am Lehrstuhl für Industrielogistik der Montanuniversität Leoben, wie Transportunternehmen grenzüberschreitende Netzwerke aus verschiedensten Verkehrsmitteln optimal nutzen könnten. Für ihre Arbeit wurde sie nun von der Initiative Femtech des Verkehrsministeriums zur Expertin des Monats erkoren. Ziel von Femtech ist es, die oft verborgenen Leistungen von Frauen im Technologie- und Forschungsbereich hervorzuheben.

"Meine Eltern haben mich immer für Technik begeistert", erzählt Kayikci über den Beginn ihrer Laufbahn. Aus einer technisch versierten Akademikerfamilie stammend, war es für sie selbstverständlich, eine HTL für Maschinenbau zu besuchen und anschließend Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. "Es ist in Istanbul ganz üblich, dass Mädchen technische Fächer belegen."

Schon in der Studienzeit arbeitete sie bei diversen namhaften Autoherstellern an Logistikprojekten, später übernahm sie den Lehrstuhl für Internationale Logistik an der Kadir-Has-Universität Istanbul. Es sei "reiner Zufall" gewesen, dass sie 2008 bei der Suche nach einer Doktoratsstelle an das Kompetenzzentrum "Virtuelles Fahrzeug" an die TU Graz kam. Dort holte sie sich zunächst den Diplomingenieurs- und danach an der WU Wien den Doktortitel in Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.

Nun an der Montanuni Leoben gelandet, analysiert sie Verkehrsstrukturen, Tourenplanungen von Unternehmen und Transportnetzwerke, um dann mithilfe von mathematischen Verfahren Software-Tools zu entwickeln, die es ermöglichen, Güter möglichst kostengünstig und umweltschonend von A nach B zu verfrachten – egal ob auf der Straße, Schiene oder auf dem Wasser. "Transportverkehr wird in Zukunft weiter zunehmen, und es wird unbedingt nötig sein, auf alternative Treibstoffe und Verkehrsmittel umzusteigen", sagt Kayikci. "Meine Vision: Onlineplattformen werden dafür sorgen, in Sekundenschnelle unkompliziert den Transport zu organisieren. Dazu braucht es aber starke Algorithmen."

Kayikci engagiert sich aber nicht nur für Verkehrs-, sondern auch für Frauennetzwerke. Nach wie vor sind Frauen in der Logistikbranche eher in Form von Einzelkämpferinnen anzutreffen, bestätigt sie: "Es gibt zu wenig Solidarität unter Frauen. Ich bin für positive Diskriminierung, denn Männer sind gerade im technischen Bereich viel besser vernetzt. Das spielt eine große Rolle bei Besetzungen, Auftragsvergaben und in Forschungskonsortien."

Vorerst möchte die sprachbegeisterte Forscherin, die auch einen Blog mit Kurzgeschichten betreibt (auf Türkisch), in der Wissenschaft bleiben. Ihr längerfristiges Ziel: "Ich will türkische Verkehrsministerin werden!" Ein anderes Ziel, nämlich den Bosporus zu durchschwimmen, liegt näher: Sie trainiert schon jetzt für den Wettbewerb im nächsten Jahr. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 17.9.2014)