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Schottlands Ministerpräsident Alex Salmond nach seiner Stimmabgabe am Donnerstag.

Foto: Reuters/Martinez

Am Donnerstag entscheiden die Wähler in Schottland über die Zukunft des 307 Jahre alten Vereinigten Königreichs. Welche Szenarien könnten sich aus einer Abspaltung ergeben? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Volksabstimmung.

Warum wird abgestimmt?

Das Referendum über die Unabhängigkeit ist ein alter Traum der schottischen Nationalpartei SNP. Als ihr Chef Alex Salmond im Jahr 2007 Leiter einer Minderheitsregierung in Edinburgh wurde, konnten die Oppositionsparteien Labour, Konservative und Liberaldemokraten das Vorhaben noch mit vereinten Kräften abschmettern. 2011 aber errang die SNP mit 44 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit der Mandate im schottischen Parlament. Damit war der Weg zur Abstimmung frei.

Was sagte London dazu?

Der konservativ-liberalen Koalition blieb gar nichts anderes übrig, als den Wählerwillen der Schotten anzuerkennen. In den Verhandlungen ging es lediglich um Zeitpunkt und Fragestellung. Dass Premier David Cameron im Herbst 2012 Salmonds Wunsch nach einem möglichst späten Termin nachgab, legen ihm Kritiker jetzt zur Last. Um eine klare Alternative zwischen der Zugehörigkeit zur Union und der Unabhängigkeit herzustellen, verweigerte Cameron eine dritte Möglichkeit, die sogenannte Devo-Max, also maximale Abgabe von Kompetenzen innerhalb des für Außenpolitik und Verteidigung zuständigen Gesamtstaats. Das wird jetzt aber den Schotten angeboten, wenn sie im Königreich bleiben.

Wer darf wählen?

Alle Briten, EU-Bürger und Menschen aus dem Commonwealth, die seit mehr als drei Monaten in Schottland leben. Hingegen sind mehrere hunderttausend Schotten, die in England oder Wales leben, vom Urnengang ausgeschlossen. Landesweit erstmals dürfen auch 16- und 17-Jährige mitentscheiden über die Frage: "Soll Schottland ein unabhängiges Land werden?"

Muss Elizabeth II. ihren Hut nehmen?

Nicht einmal die Krone. Salmond hat konservative Schotten stets mit dem Festhalten am Königshaus zu beruhigen versuchen. Die Queen werde eine "stolze Königin der Schotten" werden, behauptet der Nationalist. Die 88-Jährige sagt offiziell gar nichts; die Schotten sollten "sehr genau über ihre Entscheidung nachdenken", vertraute sie einem Kirchgänger nahe ihrem schottischen Landschloss Balmoral an. Lautet die Antwort aber doch Ja, wird Elizabeth eben Staatsoberhaupt eines 17. Staates. Wie etwa Australien und Jamaika erhält Schottland dann einen Generalgouverneur. Im Gespräch ist Elizabeths Tochter Anne, 64.

Bleibt der Kopf der Königin auch auf schottischen Münzen?

Eine der bis zuletzt ungeklärten Fragen. "Es ist unser Pfund", beteuert Salmond. Die landesweiten Parteien verweisen auf die Eurozone und sagen: Eine Währungsunion ohne gemeinsamen Staat kommt nicht infrage. Die Nationalisten kontern: Dann werde sich das unabhängige Land nicht an den gemeinsam gemachten Schulden beteiligen und das Pfund einfach weiterbenutzen, wie Panama den Dollar. Das allerdings halten Ökonomen für Pfeifen im Wald. Ein Land ohne Währung genieße keine finanzielle Sicherheit, sagt der US-Nobelpreisträger Paul Krugman.

Was wird aus dem britischen Öl?

Es ist schottisches Öl, jedenfalls zu rund 90 Prozent, wie es der Aufteilung der Souveränitätszone in Nordsee und Atlantik entspricht. Die Fachleute streiten sich über die noch vorhandene Fördermenge, zudem unterliegt der Preis für Öl und Gas großen Schwankungen. Fest steht aber: Der schottischen Regierung stünden erfreuliche Steuereinnahmen in Milliardenhöhe ins Haus. In Restbritannien würde das Budgetdefizit von derzeit rund 4,5 Prozent auf "zwischen 5,5 und 6,5 Prozent" steigen, was eine erhebliche Abwertung des Pfunds zur Folge hätte, glaubt Azad Zangana, Europaökonom bei dem Vermögensverwalter Schroders.

Wer bestimmt über die britischen Atomwaffen?

Weiterhin der britische Premierminister. Die Nationalisten wollen den Marinestützpunkt von Faslane bei Glasgow loswerden, wo die mit Atomwaffen bestückten U-Boote beheimatet sind. Ein Umzug nach Falmouth in England oder ins walisische Milford Haven würde hohe Milliardenbeträge kosten und wäre wohl kaum bis 2020 zu bewerkstelligen, wie von Salmond behauptet.

Wie will Schottland außenpolitisch auftreten?

Die Nationalisten wollen EU-Mitglied bleiben. Die EU-Kommission sowie Staaten mit starken Separatismusbewegungen wie Spanien und Belgien sprechen von einem Antrag auf Neuaufnahme, der frühestens nach fünf Jahren zum Ziel führen würde. Die Schotten verweisen aber auf ihre 41-jährige Mitgliedschaft und die Tatsache, dass sich die EU einen Nettozahler kaum durch die Lappen gehen ließe. Strittig sind vor allem die britischen Extrawürste wie Sonderrabatt sowie permanente Befreiung von der gemeinsamen Währung und dem Schengenvertrag.

Wie sähe Großbritannien im Fall der Unabhängigkeit aus?

Deutlich kleiner. Zwar machen die 5,3 Millionen Schotten nur 8,5 Prozent der Bevölkerung aus. Doch die wilde, einsame Landschaft im Norden, die Touristen vom Kontinent so lieben, repräsentiert 32 Prozent des Territoriums. England und Wales würden zu Kleinbritannien, der auch Nordirland einbeziehende Staatsname Vereinigtes Königreich (auf Englisch: United Kingdom, kurz UK) wäre irreführend. Scherzkekse sind bereits auf der Suche nach einem passenden Namen. Zur Auswahl stehen bisher RUK (Rest des UK) und, in Anspielung auf ein normalerweise verpöntes Wort, FUK (Former UK, also das ehemalige Königreich). Immerhin haben die Engländer also ihren Galgenhumor nicht verloren.

Und wer ist dann Premierminister?

David Cameron sagt: "Ich bleibe im Amt." Mit dem Rücktritt des Regierungschefs sei ja niemandem gedient, findet auch der aus Schottland stammende frühere Außenminister Malcolm Rifkind: "Was kann der Premierminister dafür, wenn Labour-Wähler einer von Labour verantworteten Kampagne nichts abgewinnen können?" Doch Rifkinds Kollegen in der konservativen Parlamentsfraktion wetzen schon die Messer. Am Regierungssitz in der Downing Street 10 herrschten "Selbstgefälligkeit, Übermut und Vetternwirtschaft", haben Cameron-Kritiker der "Times" mitgeteilt. Wenn ihm wirklich ein erheblicher Teil seines Landes abhandenkomme, müsse er zurücktreten. Und damit die Politik nicht etwa die Beamtenschaft zur Rechenschaft zieht, haben Spitzenbeamte der "Financial Times" eingeflüstert, Cameron sei von seinem Staatssekretär Jeremy Heywood mehrfach auf die Dringlichkeit des Schottland-Problems hingewiesen worden. (Sebastian Borger, derStandard.at, 18.9.2014)