Die ungarische Gestalterin Rita Koralevics fotografierte sich und einige ihrer Arbeiten. Hier lehnt sie an einem ihrer Tapetenentwürfe.

Foto: Rita Koralevics

Ihre Papierobjekte aus der Serie "Become one"

Foto: Rita Koralevics

zwei Vasen aus der Serie "Leaving Nostalgia"

Foto: Rita Koralevics

Koralevics unter einem ihrer mit gold beschichteten Lampenschirme

Foto: Rita Koralevics

Grübeln über Vasen-Prototypen

Foto: Rita Koralevics

1. Gestaltung heißt Vielfalt

Die Ungarin Rita Koralevics in eine Schublade zu stecken, ist eine heikle Sache. Außerdem würde ihr das wahrscheinlich auch gar nicht passen. Sie arbeitet in derart vielen Gefilden, dass man schon zwei, noch besser dreimal auf ihr Portfolio schaut. Sie werkt zwei- und dreidimensional, entwirft Objekte, frönt dem Siebdruck und der Fotografie, steht auch auf Computergrafik und Animation, entwirft und experimentiert analog wie digital. Sie gestaltet Postkarten und Tapeten, zersägt alte Möbel und schafft daraus Skulpturen oder produziert kunstvolle Gipstafeln, auf denen Dinge wie "It is only me that can hurt myself" zu lesen sind. Ihr Studio ist eine Mischung aus Kunstatelier, Designbüro und Bastelstube. Bei all der Umtriebigkeit der Gestalterin, die an der Kunstuniversität Budapest studiert hat, verwundert dann ihre Antwort auf die Frage nach der Message ihrer Arbeit: "Lebe langsam, aber bestimmt!"

2. Neue Materialien sind die Quintessenz

Ein neues Material erfinden? Klingt nicht schlecht. Rita Koralevics hat es getan, und zwar 2012, als sie ihr Label "Paper Up! " gegründet hat. "Paper Pulp " heißt der Werkstoff, der aus recycletem Papier besteht. Aus ihm macht sie funktionale Objekte, zum Beispiel Gefäße aus einer bestimmten Mixtur von Leim, Lack eben "Paper Pulp ". Diese bringt sie allesamt in limitierten Editionen heraus. Forschen und Experimentieren gehören zu den Hauptbestandteilen ihrer Arbeit. Design ist für Rita Koralevics ein Denkprozess, bei dem es darum geht, das Problem, das es zu lösen gilt, mit ganz neuen Möglichkeiten zu verbinden. In ihrem Studio in Budapest sucht sie vor allem nach Wegen, Materialien auf eine neue Art und Weise einzusetzen. Das bezeichnet sie als den spannendsten Aspekt ihrer Arbeit. Apropos Budapest: Ungarn ist das heurige Gastland der Vienna Design Week.

3. Es geht um Entschleunigung

"Die Menschheit hat eine unglaubliche Geschwindigkeit drauf. Die technologischen Entwicklungen, das Internet und die damit einhergehenden Möglichkeiten zu kommunizieren sind unglaublich ", sagt Rita Koralevics, und damit ist sie nicht allein. Blickt man auf ihre handgefertigten Objekte, scheinen diese fast im Widerspruch zu dieser Entwicklung zu stehen. Tun sie aber nicht. Die Ungarin ist sich dessen bewusst, dass die angesprochene Schnelllebigkeit auch neue Bedürfnisse und Sehnsüchte schafft. Abgesehen vom ökologischen Aspekt, zeigt die Gestalterin mit ihren Objekten neue Wege zu einer gestalterischen Individualisierung auf und drückt dabei auch noch ordentlich auf die Globalisierungsbremse.

4. Die Wahl des Werkstoffs bedeutet Umweltschutz

"Ich würde sagen, mein ökologischer Fußabdruck hat eine sehr kleine Schuhgröße ", sagt Rita Koralevics auf Umweltschutz und Design angesprochen. Sie arbeitet viel mit Dingen, die andere wegwerfen, nennt diese "harmlosen Hochqualitätsmüll ". Ausschuss gibt es in ihrer Arbeit so gut wie keinen. "Das gibt ein gutes Gefühl ", sagt die Entwerferin, die in erster Linie für ungarische Auftraggeber arbeitet.

5. Improvisation ist eine Herausforderung

Im Rahmen der Design Week nimmt Rita Koralevics am sogenannten "Labor " teil. Dort können Festivalbesucher Designern bei der Arbeit auf die Finger schauen. Das diesjährige "Labor "-Motto lautet "Cut/Reset " und setzt auf reduzierte Arbeitsbedingungen ganz ohne digitale Tools. Gearbeitet wird mit analogen Werkzeugen und Materialien wie Farbe, Gips und Leim. Auch die sogenannten "Labor Gespräche " (Rita Koralevics ist am 3. 10. um 17 Uhr an der Reihe) kommen ohne Laptop und Beamer aus. Die Fragestellung lautet, ob das reduzierte Angebot an Möglichkeiten den gestalterischen Blick schärft und Improvisation zu neuen Ergebnissen führt. Rita Koralevics weiß bestimmt schon die Antwort. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 26.9.2014)