Die jüngste Forderung von Herrn Außenminister Kurz nach einer einheitlichen Koranübersetzung ist einfach absurd. Was will man damit erreichen? Und wo, bitte schön, sind die von ihm erwähnten verhetzenden Exemplare?

Nicht Übersetzungen und Textpassagen sind wichtig, sondern Exegese und Interpretation. Zudem wird es verschiedene Übersetzungen weiterhin geben, außer der Außenminister will alle Publikationen in Verlagen, im Internet, auf der Welt verbieten.

Was bringt diese Forderung außer politischem Kleingeld? Eine kleine Beschäftigung mit den Übersetzungen ins Deutsche zeigt schon die Vielfalt der Wege, die die Übersetzer gegangen sind. Die einen wollten Reim und Prosa erhalten, wie Friedrich Rückert. Er versuchte, die Sprachkunst des Koran zu zeigen und die poetische Form wiederzugeben. Andere wie Amir Zaidan, der zentrale theologische Begriffe in ihrer arabischen Form stehen ließ, beschritten völlig neue Wege. Es gibt Übersetzungen, die philologisch gut und wissenschaftlich wertvoll sind. Manche versuchten durch Interpretationen Textpassagen zu glätten, andere wieder legten den Schwerpunkt auf die inhaltliche Übertragung, wodurch der Text sprachlich holprig wirkte.

Im Übrigen erreicht keine Übersetzung den Anspruch des Koran als Gottes Wort gerecht zu werden. Daher bleibt die Übersetzung eine Herausforderung, die immer wieder verbessert, ergänzt und infrage gestellt werden kann. Wollen wir auf diese Herausforderungen verzichten? Allein die Entwicklungen der letzten Jahre, auch betreffend der Gendergerechtigkeit, möchte ich eigentlich nicht missen. Als Lektüre zum Thema sei jedem das sehr renommierte Buch von Thomas Bauer (Die Kultur der Ambiguität) zur Vielfalt der Lesarten des Korantexte empfohlen.

Die Muslime Österreichs sind multiethnisch. Was machen wir dann mit den türkischen, albanischen, bosnischen, persischen, afghanischen, Urdu-, bengalischen, russischen und englischen Versionen? Will der Herr Außenminister diese genau so vereinheitlichen? Oder verbietet man diesen Leuten das Lesen ihrer Texte in ihren Sprachen? Was tun, wenn ein Imam den Originaltext auf Arabisch rezitiert und dann in der Predigt übersetzt? Muss er dann das Islam-Gesetz mit sich auf der Kanzel führen, um die richtige Übersetzung zu erwischen?

Das Junktimieren der Koranübersetzung mit dem neuen Islam-Gesetz ist Nonsens und verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz (auch die katholische Kirche und Israelitische Kultusgemeinde mussten nichts Vergleichbares liefen) und gegen den Grundsatz der Autonomie der Glaubensgemeinschaft. Trennung von Kirche und Staat bedeutet, dass auch der Staat sich nicht in innere Angelegenheiten der Glaubensgemeinschaften einmischen darf. (Omar Al-Rawi, DER STANDARD, 23.9.2014)