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Ständige Verfügbarkeit ist noch immer ein Ausschlusskriterium.

Foto: apa/Friso Gentsch

"Unternehmen schöpfen das Karrierepotenzial von Frauen unzureichend aus." Das ist das Fazit aus fünf Jahren intensiver Forschung, die Kira Marrs vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) in München u.a. mit Mittel des europäischen Sozialfonds betrieben hat. Ihr Untersuchungsgegenstand: die großen, DAX-notierten Unternehmen in Deutschland wie Bosch, Siemens, SAP und andere.

Untersucht wurden sowohl Karrierestrukturen als auch die jeweils individuellen Karrierestrategien von Frauen und Männern. Unter dem Titel "Frauenkarrieren möglich machen – Modernisierung von Unternehmen vorantreiben" präsentierte Kira Marrs die Ergebnisse im Wiener Rathaus bei der Karrieremesse "fairversity Austria 2014", die dieses Jahr unter dem Motto "Gender und Diversität" stand.

"Es ist unerlässlich, dass wir hier eine Quote haben", sagt Marrs, "zehn Jahre Freiwilligkeit in Deutschland haben nichts gebracht." Aber, so ergänzt sie: "Eine Frauenquote allein reicht nicht." Diese könne nur "ein Impuls sein für eine Modernisierung der Unternehmen insgesamt".

Warum sie das so sieht, begründete sie anschaulich in ihrem Vortrag: In traditionellen Unternehmen führe eine sogenannte Kaminkarriere nach dem Senioritätsprinzip. Nur innerhalb eines starren Rahmens sei ein hierarchischer Aufstieg möglich. Anders in modernen Matrixorganisationen: Hier stünden Potenzial und Leistung im Fokus, es käme zu einer Versachlichung und Professionalisierung von Karriereentscheidungen.

Männer wählen Männer

Mit anderen Worten: Das homosoziale Rekrutierungsmuster nach Prinzip der sozialen Ähnlichkeit, sprich "Männer wählen Männer" habe hier mehr und mehr ausgedient. Aber: "Der absolute Karrierekiller ist der Wahn der permanenten Verfügbarkeit", erklärt Marrs. Dieser erst mache "soziale Verantwortung und Karriere unvereinbar", weil damit "Teilzeit ein Ausschlusskriterium für Führungskräfte" werde. Es gelte noch immer: "Unterbrechen geht nicht". Mit einer Entscheidung für Familie und Kinder seinen also Frauen "strukturell von weiteren Karrierechancen ausgeschlossen".

Nun sollten sich Unternehmen aber fragen: "Will ich diejenigen, die besonders kompetent sind, oder die, die jeden Preis zahlen?", so Marrs. Verfügbarkeit allein sei noch keine Leistung. Umso wichtiger sei es für Unternehmen, Führungskräfte in Teilzeit als Vorbilder zu haben. In der Regel würden aber Frauen an den Pranger gestellt, statt die strukturelle Problembeseitigung in den Unternehmen anzugehen.

Sorgearbeit

Die Studie habe deutlich gezeigt, dass es grundsätzlich "keine Unterschiede bei den Karrierewünschen zwischen Männern und Frauen" gebe. Erst wenn die "Sorgearbeit", sei es für Kinder, sei es für ältere Familienangehörige, ins Spiel käme, stünden die Frauen vor dem Dilemma: Familie oder Karriere. Die Karriere der "Männerwelt" funktioniere meist noch immer nach männlichen Regeln.

Die erste "Phase der Euphorie" nach der "Quoten-Initiative" der Deutschen Telekom – diese hatte sich 2010 auf konkrete Ziele zur Förderung des Frauenanteils im Management verpflichtet – sei verflogen. Nun sei es fraglich, ob "diese historische Chance" nach ersten, schnellen Erfolgen nachhaltig umgesetzt werden könne. Marrs sieht die "Gefahr, dass die gesamte Bewegung ins Stocken gerät".

"Grundsätzlich bin ich gegen Quoten, aber in einer Notsituation helfen sie", sagte Andreas Treichl, Generaldirektor der Erste Group in der anschließenden Podiumsdiskussion. Es sei "eine Schwächung des Unternehmens, wenn wir Talente am Weg zur Spitze verlieren". Er wünsche sich, entsprechend des Frauenanteils im Unternehmen "70 Prozent Frauen in der Führungsetage". Offizielles Ziel der Erste Group ist es, den Anteil von Frauen im Top-Management bis 2019 auf 35 Prozent zu erhöhen.

Auch für Familienministerin Sophie Karmasin ist die "Quote allerletztes Mittel, wenn alles probiert wurde". Sie sieht vor allem "gesellschaftliche Konstruktionen, die es zu verändern gilt" und nennt Dänemark mit seinen Kleinkindbetreuungseinrichtungen als Vorbild. Auch für Peter Hagen, Generaldirektor der Vienna Insurance Group, ist es "wirtschaftlicher Unsinn, 50 Prozent des Talentepools zu ignorieren". Kira Marrs dazu abschließend: "Die Quote hilft, öffentlichen Druck auf die Unternehmen zu machen. Sie allein reicht aber nicht aus, wenn es keine strukturelle und nachhaltige Modernisierung in den Unternehmen gibt." (Tanja Paar, dieStandard.at, 24.9.2014)