"Computerbild"-Chefredakteur Telzerow testet die Widerstandskraft des iPhone 6 Plus.

Foto: Computerbild/Youtube

Wenn auch Apples neue iPhone-6-Modelle reißenden Absatz finden, ist der Start für den Konzern aus Cupertino doch nicht ganz nach Plan verlaufen. Das Update von iOS 8 auf Version 8.0.1 musste wegen schwerer Fehler zurückgezogen werden, dazu mehrten sich Berichte über eine ungewöhnlich leichte Verbiegungsanfälligkeit des iPhone 6 Plus.

Verbogene iPhones sorgen für Aufmerksamkeit

Kurz nach der Veröffentlichung kursierten Fotos von Apple-Smartphones, die einen deutlichen Knick entlang der Aussparung der Lautstärketasten aufwiesen. Gemäß Schilderungen ihrer Besitzer sollen diese Verformungen bei normalem Tragen des Gerätes in der Hose geschehen sein.

Was folgte, war breite Berichterstattung über die sogenannte "Bentgate"/"Bendgate"-Affäre. Mittlerweile hat Consumer Report den Biegsamkeitsmythos zwar entkräftet, bis dahin sind allerdings zahlreiche Videos online gegangen, in welchen das große Telefon Biegetests verschiedener Intensität ausgesetzt wird.

"Computerbild"-Video

Auch die deutsche "Computerbild" (Axel-Springer-Verlag) hatte es sich nicht nehmen lassen, das iPhone 6 Plus vor laufender Kamera zu strapazieren. Chefredakteur Axel Telzerow nahm sich der Aufgabe persönlich an. Er bog und begradigte das Gerät und verglich es dabei mit Samsungs Galaxy Note 3. Das Verbiegen des Apple-Geräts gelang, das Konkurrenzprodukt ließ sich hingegen nicht aus der Form bringen. Dementsprechend wurde nicht mit Kritik gespart.

Apple ruft an

Am 26. September, zwei Tage nachdem die Aufnahme online ging, sorgte schließlich ein Tweet von Telzerow für Aufregung. "Apple-Reaktion zu 'Bendgate': Computerbild wird nicht mehr zu Events eingeladen und bekommt auch keine Testgeräte mehr", schrieb dieser und ergänzte die Botschaft mit dem Hashtag "#Kindergarten". Laut seiner Schilderung hatte ein Vertreter von Apple in der Redaktion angerufen und diese Maßnahmen bekanntgegeben.

Das Video steht mittlerweile bei rund 400.000 Aufrufen und ging unter anderem über RTL und n-tv durchs Fernsehen. Einige Tage davor war das iPhone 6 Plus in einem Testbericht noch gelobt worden.

Offener Brief

Mittlerweile hat sich Telzerow mit einem offenen Brief an Apple-CEO Tim Cook gewandt. Dort betont er, dass man wie andere Medien auch sehr gespannt auf die neuen iPhones gewartet habe und den eigenen Lesern kritische Betrachtung möglicher Mängel schuldig sei.

Das im Video verbogene iPhone habe man selbst erworben, auf Testgeräte von Apple sei man nicht angewiesen. "Lieber Herr Cook – stellen Sie sich so den Umgang mit kritischer, unabhängiger Presse vor?", fragt der Chefredakteur und kritisiert "Respektlosigkeit" seitens Apple.

Stellungnahmen

Der WebStandard hat bezüglich des Vorfalls sowohl Apple Deutschland als auch "Computerbild" um Stellungnahme gebeten. Laut einer Sprecherin des Axel-Springer-Verlags gab es von Apple dazu bislang keine weitere Kommunikation.

Der Anruf sei von einem Mitglied des Apple-PR-Teams erfolgt, aus dem Gespräch sei aus Sicht der Redaktion deutlich hervorgegangen, dass die "Sanktionen" als Reaktion auf die "Bendgate"-Berichterstattung zu verstehen sei. Apple hat auf die Anfrage des WebStandard bislang noch nicht reagiert.

Erinnerungen an Apple vs. Gizmodo

Der Vorfall erinnert an eine Auseinandersetzung zwischen Apple und dem Techblog Gizmodo. Dort hatte man sich im April 2010 einen in einer Bar vergessenen Prototypen des noch nicht veröffentlichten iPhone 4 beschafft und ausführlich darüber berichtet. Infolgedessen stellte Apple sämtliche Kooperation mit dem Medium ein und schaltete die Behörden ein, was unter anderem zu einer Beschlagnahmung der Computer des verantwortlichen Redakteurs Jason Chen geführt hatte. (Georg Pichler, derStandard.at, 30.9.2014)