Wien - Staaten sollen mehr Geld in den Bau von Straßen, Brücken, Häfen und Kraftwerken investieren. Denn jeder Euro, der für öffentliche Infrastrukturprojekte ausgegeben wird, fördert das Wachstum, weil der Staat auch Bürger und Unternehmer zum Geldausgeben animieren kann.

Ja, mehr noch: Wenn das Geld wie derzeit billig zu holen ist, sollen diese Maßnahmen nicht budgetneutral finanziert werden. Am besten ist, die betroffenen Länder finanzieren die neuen Autobahnen und Zugschienen über höhere Schulden.

Klingt nach dem Ökonomiekonzept linker Sektierer? Von wegen: Das beschriebene Antikrisenrezept stammt aus einer neuen Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. In dem Papier ("Is it time for an infrastructure push?") gehen die Ökonomen des Fonds der Frage nach, ob die derzeitige weltweite Wachstumsflaute mit höheren Ausgaben für Infrastruktur überwunden werden kann.

Öffentliche Projekte zahlen sich aus

Die Antwort fällt eindeutig aus. Richtig gemacht und richtig finanziert, zahlen sich öffentliche Investmentprojekte aus. In Entwicklungs- und Schwellenländern sowieso, aber auch in Industrieländern. Der IWF hat sich unter anderem die Daten aus 17 Industrieländern, darunter Deutschland, Frankreich, die USA und Großbritannien, im Zeitraum zwischen 1985 und 2014 angesehen. Konkret wurde berechnet, welche wirtschaftlichen Auswirkungen neue und unerwartete Infrastrukturprojekte hatten.

Im Schnitt gilt, dass Mehrausgaben im Budget in Höhe von einem Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) das Wachstum in vier Jahren um 1,5 Prozentpunkte erhöhen. Allerdings: Wenn wie derzeit die Konjunktur lahmt und Privatinvestoren sich verweigern, ist jeder staatlich ausgegebene Euro noch mehr wert. In Zeiten von Rezession ist das Wachstum nach vier Jahren nämlich sogar um drei Prozentpunkte höher gewesen.

Einzige Einschränkung: Die öffentliche Verwaltung muss effizient sein, und es muss "klar identifizierbaren" Bedarf an neuen Projekten geben.

Infrastrukturausgaben könnten Schulden senken

Der IWF empfiehlt Ländern in Zeiten niedriger Zinsen, die Mehrausgaben über Schulden zu finanzieren. Das Wachstum in Ländern, die neue Straßen per Kredit bauen, ist höher als in jenen, die andere Ausgaben kürzen, um sich die Investments zu leisten. Die Logik dahinter könnte sein, dass eine insgesamt offensive Finanzpolitik mehr fürs Wachstum bringt.

Überraschend ist eine weitere Erkenntnis: Höhere Infrastrukturausgaben dürften sogar die Schulden senken. Im Schnitt war die Staatsverschuldung vier Jahre nach dem beschriebenen Anstieg bei den Ausgaben um vier Prozent niedriger. Auch wenn der IWF-Bericht viele neue Fragen aufwirft (welche Projekte sind zum Beispiel "klar identifizierbar"?), dürfte er die laufenden Debatten in der Eurozone über den Umgang mit der Krise erneut befeuern. (szi, DER STANDARD, 2.10.2014)