Konstantin Mitgutsch.

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KARRIERENSTANDARDS: Develop ist ein Tool, mit dem Sie Teams durch Phasen eines Change-Management-Prozesses führen. Sie leiten Gruppen dazu an, Spiele zu designen, die bestimmten Herausforderungen entsprechen. Was versprechen Sie sich davon?

Mitgutsch: In meiner Karriere als Coach und Berater merke ich immer wieder, dass in sehr vielen Veränderungsprozessen die Mitarbeiter zu Opfern werden und dass in Veränderungsprozessen häufig eine grundsätzliche Gegenwehr da ist, die man durch die Beratung umschiffen muss. An dieser Stelle kommt meine andere Karriere als Game-Designer ins Spiel. Aus vielen Projekten im Bereich des Serious Gaming weiß ich, dass im Rahmen der Spieleentwicklung eine intensive Identifikation mit dem jeweiligen Problem stattfindet. Das heißt: Wenn ich Menschen dazu anleite, ihr eigenes Spiel zu entwickeln, werden sie in diesem Moment von passiven Opfern zu aktiven Gestaltern. Das verschafft viel Freiraum. Die Leute können einerseits kurz Abstand von bestimmten Situationen nehmen, und andererseits können sich so Probleme zu Herausforderungen verwandeln.

KARRIERENSTANDARDS: Wie geht das genau?

Mitgutsch: Das Konzept ist so angedacht, dass man das jeweilige Thema aus der Perspektive eines Game-Designers analysiert. Zunächst wird das Thema identifiziert, danach setzen wir eine Technik ein, die sich "rapid prototyping" nennt, eine Art schnelle Variante, um Prototypen zu entwickeln. Das Ziel ist die Entwicklung eines Spielkonzepts, das ein bestimmtes Thema referenziert. Wobei das eigentlich Spannende ist ja nicht nur das Spiel an sich, sondern vor allem seine Entwicklung. Im Zuge dieses Prozesses werden den Teams nämlich Fragen gestellt wie: Wenn man die eigene Organisation oder einen bestimmten Prozess als Spiel darstellt, welchem Genre würde man es zuordnen, welchen Rahmen würde es bekommen? Wäre es ein Strategiespiel, ein "Jump&Run" oder ein Shooter? Und wenn es ein "Jump&Run" wäre, könnte man die Hindernisse identifizieren, über die man springen muss bzw. ob man sich leicht oder schwer damit tut, sie zu überspringen ... Im Anschluss daran folgt eine Reflexionsphase, in der man zum Beispiel von den Hindernissen im Spiel auf jene in der Realität rückschließen kann und sich überlegt, wie etwa ein Prozess verbessert werden kann. Das Konzept hilft bei der Teamentwicklung, aber auch bei der Entwicklung neuer Ideen. Und wir sehen es auch als Tool, das Beratungsfirmen in ihren Beratungsprozessen einsetzen können.

KARRIERENSTANDARDS: Sind die Jungen das Zielpublikum?

Mitgutsch: Wir merken, dass viele Beratungsfirmen, die Interesse an unserem Produkt haben, schon eher an junge Teams denken. Dort orten sie als auch wir Bedarf, obwohl sich das Tool für alle Altersstufen und auch nicht spielaffine Menschen eignet. Dazu kommt - und das ist eine beobachtbare Tendenz - dass wir als Game-Designer oft auch fixe Spiele "vorsetzen" und insbesondere junge Menschen hier häufig mit Desinteresse reagieren, also mitgestalten wollen.

KARRIERENSTANDARDS: Warum macht so ein Instrument gerade jetzt Sinn?

Mitgutsch: Jetzt hänge ich mich aus dem Fenster ... Was mir auffällt, ist, dass die fetten Jahre der klassischen Beratung vorbei sind, dass sie in der Krise steckt. Viele Leute merken auch, dass einige Beratungstools nicht wie erhofft greifen und innovative Tools gefordert werden. Und ich sehe eben eine große Chance von diesem Tool darin, dass die Betroffenen in einem Veränderungsprozess aktiv angesprochen werden, dass sie die Chance bekommen, sich mit einer Situation zu identifizieren und sie aktiv und mit Freude mitgestalten können - im Spiel! (Heidi Aichinger, Aus unserem Jahresmagazin KARRIERENSTANDARDS 2014)