Vielschreiberin Mira Lobe verfasste rund 100 Kinder- und Jugendbücher.

Foto: Regine Hendrich

Es gibt Dinge aus der eigenen Kindheit, die einem so lieb in Erinnerung geblieben sind, dass man es gar nicht erwarten kann, die eigenen Kinder daran teilhaben zu lassen. Manches davon wartet schon geduldig, in Kisten verpackt. Im Wissen: Unsere Zeit wird kommen! Dann, eines Tages, werden sie hervorgeholt, die Bücher von Mira Lobe.

Lobes Arbeit zeichne sich dadurch aus, dass "sie den Anspruch hatte, dass Kinder- und Jugendbücher als Literatur wahrgenommen werden", sagt Georg Huemer, der gerade als Co-Kurator eine Ausstellung im Wien-Museum (Eröffnung: 5. November) zusammenstellt. Sie selbst sah das weitaus bescheidener. "Wie das mit dem Bewirken ist, da habe ich meine großen Zweifel. Sicher, man kann es versuchen: Solidarität vermitteln in den Kindergeschichten, über Mut zu schreiben, so wie Erich Kästner ihn definiert hat – sich zu trauen, anders zu sein als alle anderen", sagte sie 1992 in einem STANDARD-Interview.

Unerfüllte Wünsche

Hilde Mirjam Rosenthal, wie Lobe mit Mädchennamen hieß, kommt am 17. September 1913 im niederschlesischen Görlitz zur Welt. Ihr Vater ist Spirituosenhändler. Eigentlich will sie Germanistik und Kunstgeschichte studieren, träumt davon, Journalistin zu sein. Alles Wünsche, die für sie als Jüdin unerfüllbar sind. 1936 folgt die Flucht nach Palästina. Dort heiratet sie, bekommt zwei Kinder – und beginnt danach ihr erstes Kinderbuch zu schreiben. 1948 erscheint "I-Hajeladim" auf Hebräisch (1951 dann als "Insu-Pu, die Insel der verlorenen Kinder" auf Deutsch).

Zwei Jahre später zieht die Familie nach Wien. Ehemann Friedrich Lobe, ein Schauspieler, hat ein Engagement angenommen. Lobe habe sich sehr rasch in Österreich eingelebt, sagt Huemer. Kurz engagiert sie sich auch in der KPÖ. Aber, sagt Huemer: "Wie viele andere Intellektuelle verließ auch sie aus Protest gegen die damaligen Geschehnisse in Ungarn die Partei." Inwieweit ihre politische Gesinnung sich in den Büchern ablesen lasse, sei schwierig. Aber oft "geht es in ihrem Werk um Solidarität und Gemeinschaftssinn".

Mira Lobe, eine Institution

Schnell nimmt ihre Karriere als Kinderbuchautorin vor allem in Österreich an Fahrt auf. "Interessant ist, dass sie bei uns zur einer Art Institution wurde, während sie in Deutschland eine Autorin von vielen blieb", sagt Huemer. Lobe zählt zu den bekanntesten Kinderbuchautorinnen Österreichs. Da sind etwa "Das kleine Ich bin ich", "Valerie und die Gute-Nacht-Schaukel" oder "Die Omama im Apfelbaum". Eng mit dem Erfolg verbunden ist auch die Arbeit von Susi Weigel, die viele Bücher illustriert hat. Kennengelernt haben sich die beiden bei der Arbeit für die kommunistische Kinderzeitung UZ - Unsere Zeitung des Globus-Verlags.

Lobe ist eine Vielschreiberin, verfasst rund 100 Kinder- und Jugendbücher, viele von ihnen werden mit Preisen und Auszeichnungen bedacht. Mehrfach bekommt sie den Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur. "Produzieren ist schön, einfach schön. Da fühlt man sich leben. Das ist nach der Liebe das zweitbeste Gefühl", erklärte sie im erwähnten Gespräch. Am 6. Februar 1995 stirbt Mira Lobe in Wien. (Peter Mayr, DER STANDARD, 9.10.2014)