Bild nicht mehr verfügbar.

Fessenheim ist das älteste von 58 Atomkraftwerken in Frankreich. Ob es wie geplant stillgelegt wird, ist noch offen.

Foto: Reuters/Kessler

Das neue Gesetz, das mit 314 zu 219 Stimmen angenommen wurde, enthält eine Reihe von Neuerungen, die "das Leben der Franzosen verändern" werden, wie Umweltministerin Ségolène Royal erklärte. Vorgesehen sind Millionen von Ladestationen für Elektroautos, Anreize für eine umfassende Gebäudeisolation und natürlich die Förderung erneuerbarer Energien.

Sie sollen bis 2030 über 30 Prozent der Energieproduktion darstellen; heute sind es zwölf Prozent. Der Energieverbrauch soll bis 2050 halbiert werden, der Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent sinken.

Zugleich formalisiert Präsident François Hollande mit dem Gesetz sein Wahlversprechen, den Anteil der Atomkraft an der nationalen Stromproduktion bis 2025 von heute 75 auf 50 Prozent zu senken. Ein vollständiger Atomausstieg wie in Deutschland kommt für Frankreich nicht infrage.

Während die regierenden Sozialisten und - mit Reserven - auch die Grünen in erster Lesung für das neue Gesetz stimmten, lehnte es die bürgerliche Opposition ab, da sie den Anteil von 50 Prozent Atomstrom für zu tief hält. Ein elsässischer Abgeordneter meinte, die Atomkraft sei "Teil der Energiewende".

AKW nicht erwähnt

Im Elsass steht mit dem Doppelreaktor Fessenheim das älteste von 58 französischen Atomkraftwerken. Hollande hat versprochen, ihn bis Ende 2016 stillzulegen. Das wäre der erste Schritt zur Reduktion des Atomanteils um ein Drittel. Im Gesetz wird das umstrittene AKW jedoch mit keiner Silbe erwähnt.

Auch das Datum 2016 scheint nun unsicher: Royal erklärte in der Parlamentsdebatte sehr ausweichend, man könne ja auch andere Reaktoren als die in Fessenheim schließen. Welche, sagte sie nicht. Während das deutsche Bundesland Baden-Württemberg und das schweizerische Basel die Abschaltung von Fessenheim mit Nachdruck verlangen, hält die französische Region Elsass aus Arbeitsplatzgründen an dem alten AKW fest.

Widerstand zu erwarten

Royal muss allerdings bald Farbe bekennen. Das neue Energiegesetz beschränkt nämlich die Obergrenze der Atomstromproduktion auf das heutige Niveau von 63,2 Gigawatt. Électricité de France (EDF) will aber ihren ersten Druckwasserreaktor EPR der neuen AKW-Generation 2016 in der Normandie in Betrieb nehmen.

Das macht die Abschaltung von zwei klassischen Reaktoren unumgänglich. Wo auch immer das geschehen wird, ist mit Widerstand zu rechnen. Allein die Stilllegungskosten von Fessenheim veranschlagt EDF auf fünf Milliarden Euro. Im atomfreundlichen, aber zum Sparen gezwungenen Frankreich dürfte das noch für politische Spannungen sorgen.

Kritik von Greenpeace

Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte zum Energiewende-Gesetz, es verdiene seinen Namen nicht, da die genannten Ziele nicht ausreichend finanziert seien. Das von den Grünen geforderte Verbot einer AKW-Laufzeitverlängerung über 40 Jahre finde sich zudem nirgends im Gesetz. Wie ambivalent die französische Regierung zu ihrer eigenen Energiewende steht, zeigt sich am World-Nuclear-Energy-Forum, das derzeit bei Paris organisiert wird. Die Initiative dazu hatte vor einem Jahr das französische Wirtschaftsministerium ergriffen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 15.10.2014)