Fünfzehn Termine, genauso viele Outfits. Lena Dunham macht ihre Lesereise anlässlich ihres ersten Buches "Not That Kind Of Girl" zu einem Modemarathon. Exklusiv von Kopf bis Fuß, von New York bis Toronto in Lederjacke und Trenchcoat, jede Menge Blusen mit Kussmündern oder Blumen des Onlineshops Nasty Gal. Das Ganze ein Deal zweier Freundinnen: der kalifornischen Selfmade-Millionärin Sophia Amoruso und Lena Dunham, nicht weniger smart, mittlerweile auch Millionärin.
Die Zusammenarbeit verwundert nicht. Sie möge "exzentrische und intelligente Mode", hat die New Yorkerin der "Vogue" verraten. Gleichzeitig ist Dunham so etwas wie die nerdig intellektuelle Antwort auf Beyonce oder Kim Kardashian. Ihre Auftritte? Sprechen eine ganz eigene Sprache: Köpfchen mit Körper - in genau dieser Reihenfolge. Die zählt auf den roten Teppichen allerdings wenig. Dunhams Auftritte, ob blumig in Prada oder fedrig in Giambattista Valli, landen regelmäßig auf den "worst dressed"-Listen der Klatschmagazine.
Wasserstoffblond
Sie sind dennoch nicht unerheblicher Bestandteil des Erfolgskonzepts von Lena Dunham. Das besagt, dass irgendetwas, das Kleid, der Ausschnitt, der Schuh, nicht zueinander passt. Nicht anders kennt man sie als Hannah Horvath in "Girls". Die Frisur, die darf allerdings ruhig richtig aussehen. Dunham trägt jetzt einen platinblonden Bob. Der ist ein kluges Zitat - allerdings ein schon wieder etwas herausgewachsenes. Der Topfschnitt der Filmemacherin Agnes Varda stand Pate für Dunhams Wasserstoffblond. Mit der neuen Farbe distanziert sich Dunham von ihrem straßenköterfarbenen Auftritt in ihrer eigenen Serie "Girls". Lena Dunham, 28, möchte während ihrer Lesereise von ihren Fans nicht mit ihrem Alter Ego Hannah Horvath verwechselt werden.
Und für Dunhams Anhängerschar mag das bisschen Abwechslung auf dem Kopf zum Unterhaltungsprogramm gehören. Die strubbelige Exzentrik ist Teil ihres Geschäfts. Und das läuft gerade wie geschmiert. Alle wollen Lena, dieses witzige Ideenbündel mit dem sicheren Händchen für den Zeitgeist. Als maßgeschneiderte Vertreterin der "Generation Slash", jener Generation, die sich mit nur einer Berufsbezeichnung nicht zufriedengibt, gibt die 28-Jährige Gas.
Lena Dunham ist Regisseurin, Schauspielerin, Autorin. Mindestens. Mittlerweile schaute sie schon rehäugig vom Cover der amerikanischen "Vogue", ihre Serie hat einige Preise gewonnen. Nicht nur die Ostküsten-Intelligenzia zählt sie zu den wichtigsten Frauen der amerikanischen Gegenwartskultur. Die weiß ihren Status zu übersetzen: 2014 gehört sie laut Forbes zu den zehn bestverdienenden TV-Schauspielerinnen in den USA, für ihren Buchdeal kassierte sie im Voraus kolportierte 3,5 Millionen US-Dollar.
Modische Glaubwürdigkeit
Als Erfinderin der Serie "Girls" wird sie gefeiert für ihren unglamourösen Gegenentwurf zu "Sex and the City". Ihre vier Protagonistinnen sind die Millennials, die Kinder der Wirtschaftskrise. Sie stolpern durch Praktika, unbezahlte Jobs und die Betten - und kommen dabei zwangsläufig fast völlig ohne Designerkleider, Manolo Blahniks und die Designerhandtasche von Fendi aus. Herzstück des unbeirrten Umherstolperns: Hannah Horvaths blasser, mit Motiven aus Kinderbüchern tätowierter Körper.
Die runden Schenkel, der kleine Bauch, die wackeligen Oberarme, Lena Dunham stellt ihren vermeintlich unperfekten Körper schonungslos aus: ob beim Sex, in der Badewanne oder im Bikini. Regisseurin Lena Dunham weiß genau, was sie da tut. Ihre drei konventionell attraktiven Darstellerinnen sehen neben ihr irgendwie schnell langweilig aus. Statt eines glattgezogenen Designer-Editorials gilt für das Kostüm in "Girls" modische Glaubwürdigkeit als Leitfaden.
Was können sich vier Mittzwanzigerinnen, Töchter der weißen New Yorker Mittelschicht, leisten? Hannah, Jessa, Marnie und Shoshanna tragen Secondhand-Stücke von Beacon's Closet, dazu ein bisschen Designerware, gemixt mit Zara, H&M oder Gap. Oder eben auch einmal American Apparel.
Unretuschiert
Lena Dunham hüpft in der dritten Staffel in einem grünen Bikini herum. Und weil Dunhams runde Hüften in Szenen wie dieser so ganz anders aussehen als das, was in den US-Serien sonst zu sehen ist, ist plötzlich auch die Modewelt hin und weg: Eine Million Follower auf Instagram, 178 Millionen folgen ihr auf Twitter.
Cover und Fotostrecke, von Annie Leibovitz fotografiert, sorgten für Debatten: Wie lässt sich Photoshop mit Lena Dunhams sonstiger Devise vereinbaren? Kurze Zeit später tauchten auf der feministischen Website "Jezebel" die unretuschierten Bilder auf. Lena Dunham ließ das alles ziemlich kalt.
Vielleicht ist die Tochter eines etablierten, gut vernetzten New Yorker Künstlerpaars aber auch einfach routiniert im Umgang mit den Medien. Schon mit elf plauderte Dunham mit Plum Sykes, der Moderedakteurin der "Vogue", über Mode von Jil Sander und ihren Berufswunsch. Damals wollte sie Modedesignerin werden. Wie gut, dass dann alles doch ganz anders gekommen ist. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 17.10.2014)