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Österreichische Bauern in Ungarn fühlen sich diskriminiert.

Foto: REUTERS/Laszlo Balogh

Im Streit um die Bodenrechte von ausländischen Bauern in Ungarn - unter ihnen auch rund 200 österreichische - hat die EU-Kommission am Donnerstag erste Schritte gegen die Regierung von Viktor Orbán wegen des möglichen Verstoßes gegen EU-Regelungen eingeleitet. Es bestehe der Verdacht, dass der in EU-Verträgen garantierte freie Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen durch nationale Gesetzgebung verletzt wurden.

Budapest wird eine Frist von zwei Monaten eingeräumt. Es muss entsprechende Auskünfte und Erklärungen geben. Sind die nicht befriedigend, würde die Kommission in einer zweiten Stufe des Verfahrens eine "begründete Stellungnahme" abgeben und eventuell Gesetzesänderungen in Ungarn anordnen.

Käme die Regierung auch dem nicht nach, wäre der nächste Schritt eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Aber so weit ist man noch lange nicht.

Gültige Pachtverträge

In der Vergangenheit hat Orbán im Falle von Verstößen gegen Grundrechte durch Verfassungsänderungen im Medienbereich nach entsprechenden Verfahren durch die Kommission nachgegeben, Gesetze nachgebessert. Bei dem beanstandeten Bodengesetz geht es der Kommission um den Schutz von Investoren, die in Ungarn sehr lang gültige Pachtverträge abgeschlossen haben.

Im Mai erließ die Regierung ein Gesetz, das deren Nutzungsrechte beschneidet. Es sieht einerseits nur sehr kurze Übergangsfristen von viereinhalb Monaten vor anstelle einer zuvor angekündigten Übergangsperiode von 20 Jahren. Bauern sehen darin eine Enteignung. Anderseits können laut dem Gesetz seit 20 Jahren bestehende Verträge aufgelöst werden, die noch vor dem EU-Beitritt Ungarns abgeschlossen wurden.

Nationale Kompetenz

Nach Auffassung der EU-Kommission dürfte das neue Bodengesetz die Bauern "ihrer erworbenen Rechte und des Wertes ihrer Investitionen berauben", heißt es offiziell. Die Kommission stellt aber klar, dass Bodengesetze prinzipiell in nationale Kompetenz fallen, sie müssten aber begründbar sein. Das EU-Recht der Freizügigkeit von Kapital und Unternehmen im Binnenmarkt gehe jedenfalls vor.

In Ungarn reagierte als Erste die Orbán-Partei Fidesz. Deren Pressebüro sprach von einem "neuerlichen Versuch der Druckausübung seitens der Europäischen Union". "Hinter diesem Angriff stehen starke Geschäftslobbys, denen es ein Dorn im Auge ist, dass das neue Bodengesetz anstatt der ausländischen Spekulanten die ungarischen Landwirte bevorzugt", heißt es weiter. Die Regierungspartei (also Orbán) fordert die Regierung (also Orbán) dazu auf, "das ungarische Bodengesetz gegen jeden inneren und äußeren Druck mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen".

Deutliche Worte Fischers

Die Brüsseler Entscheidung erfolgte einen Tag nachdem der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer Budapest besucht hatte. In den Gesprächen mit seinem Amtskollegen János Áder und mit Orbán hatte er das Bodengesetz sehr deutlich angesprochen. Fischer und Áder hatten auf der gemeinsamen Pressekonferenz übereinstimmend erklärt, dass die EU-Kommission nun am Ball sei und dass man ihre Feststellungen respektieren werde. "Wir müssen auf die Entscheidung warten und sie dann korrekt umsetzen", hatte Áder seinem österreichischen Amtskollegen beigepflichtet.

Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán sieht im EU-Verfahren wegen des umstrittenen Bodengesetzes einen weiteren Versuch, Druck auf sein Land auszuüben. (Thomas Mayer aus Brüssel / Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 17.10.2014)