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Zunehmen wie im Flug: Jetlags oder Schichtarbeit können zu Stoffwechselprobleme verursachen.

Foto: AP/Matt Rourke

Rechovot - Wenn bei Vielfliegern der interkontinentalen Sorte auf Bonusmeilen Bonuskilos folgen, dann muss dies weder am langen Sitzen noch an den köstlichen Fertigmahlzeiten an Bord liegen. Denn auch Darmbakterien leben nach einer inneren Uhr. Gerät diese durch Anomalien wie Jetlags oder Schichtarbeit aus dem Rhythmus, kann das Stoffwechseprobleme zur Folge haben, berichten israelische Wissenschafter im Fachmagazin "Cell".

Die innere Uhr des Menschen wird durch den Tag-Nacht-Rhythmus gesteuert, genauer gesagt durch den Wechsel von Licht und Dunkelheit. Es ist bekannt, dass Störungen, wie sie etwa bei Schichtarbeitern vorkommen oder bei Menschen, die häufig von einer Zeitzone in andere fliegen, Herzkreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Übergewicht verursachen können. Warum das so ist, ist nicht genau bekannt.

Veränderliche Zusammensetzung

Die Forscher um Christoph Thaiss vom israelischen Weizmann Institute of Science prüften nun, ob die Darmflora damit etwas zu tun haben könnte. Sie ist nicht nur an der Verdauung beteiligt, sondern beeinflusst die Gesundheit auch sonst erheblich. Aktuelle Untersuchungen legen zum Beispiel nahe, dass sie an der Entstehung von Asthma, Allergien, Übergewicht oder Diabetes beteiligt sein könnte.

Die Wissenschafter untersuchten, wie sich die Zusammensetzung der Bakterien im Laufe des Tages ändert - zunächst bei Mäusen. Sie fanden heraus, dass die Häufigkeit verschiedener Arten von Bakterien im Verlauf des Tages zu- und abnimmt. Auch spezifische Funktionen der Darmflora veränderten sich rhythmisch. Bei den nachtaktiven Nagern dominierten in der Dunkelphase etwa Stoffwechselwege, die mit dem Energiehaushalt, der Nahrungsverwertung oder dem Wachstum in Verbindung stehen. In der hellen Phase stand unter anderem die Entgiftung im Vordergrund.

Getaktet werde die innere Uhr der Bakterien auch über den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme, berichten die Forscher. Veränderten sie die Fütterungszeiten der Mäuse und den Hell-Dunkel-Wechsel, geriet die Darmflora durcheinander. Eine fetthaltige Ernährung führte unter diesen Bedingungen zu Übergewicht und Glukoseintoleranz, die als Vorstufe von Diabetes gilt. Bei normal getakteten Mäusen blieben diese Effekte bei gleicher Ernährung aus.

Von Jetlag-Mäusen und Menschen

Übertrugen die Wissenschafter die Darmflora von "Jetlag-Mäusen" auf normale Mäuse, legten diese ebenfalls an Gewicht und Körperfett zu. Auch ihr Blutzuckerspiegel stieg. Doch auch die menschliche Darmflora kann durch rhythmische Anomalien wie Jetlags gestört werden. Mäuse, die Bakterien aus dem Darm solcher menschlichen Probanden erhielten, nahmen ebenfalls zu, ihr Blutzuckerspiegel stieg.

Die Ergebnisse seien als vorläufig zu betrachten, schreiben die Forscher. Sie legten jedoch nahe, dass Störungen der inneren Uhr beim Menschen die mikrobielle Gemeinschaft im Darm veränderten, was wiederum Stoffwechselprobleme verursachen können. Zur Behandlung sei möglicherweise eine gezielt probiotische oder antimikrobielle Therapie angezeigt.

"Dass sich die Darmflora in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme ändert, ist für mich als Mikrobiologen erst mal nicht so erstaunlich", sagte Michael Blaut, Leiter der Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam. Allerdings komme die Studie zu interessanten Folgeergebnissen: Sie liefere überzeugende Argumente dafür, dass ein Organismus auch in seiner Mikroflora abgebildet werde. (APA/red, derStandard.at, 16.10.2014)