Renate Ortlieb, Uni Graz.

Blowup/Salzburg

Karl Proyer, GPA.

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Georg Horacek, OMV.

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Mit speziellen Geldanreizen geben Mitarbeiter Leistung her, die sie sonst zurückhalten würden. Dieses Menschenbild steckt hinter der immer moderner werdenden leistungsorientierten Entlohnung - also Geldbestandteilen, die für das Erreichen bestimmter Ziele gewährt werden.

"Es schwappt von den USA herüber", sagt Renate Ortlieb, Leiterin des Instituts für Personalpolitik an der Uni Graz. Da mitzuspielen sei für Unternehmen wichtig, die solcherart Leistungsorientierte anziehen wollen. "Der Trend ist marktgetrieben", wie Georg Horacek, Personalchef der OMV und als Präsident des Forum Personal im ÖPWZ in der Vorwoche Gastgeber beim alljährlichen Branchentreff der Personalisten in Salzburg, sagte: "Man muss oft mit den Wölfen heulen."

Wer ist Leistungsträger?

Die Dilemmata dahinter sind zahlreich: Wie ist Leistung definiert? Wie wird sie gemessen? Kurz: Wer kriegt das Mehr-Geld, wer nicht?

Horacek: "Allen Umfragen zufolge sind leistungsorientierte Gehaltsbestandteile relativ beliebt, gefordert wird aber starke Differenzierung. Und da beginnt's: Jeder glaubt, er ist der Leistungsträger." Das verhalte sich etwa so wie die Studien zum Autofahren, bei denen 95 Prozent der Männer sich als überdurchschnittlich gute Autofahrer definieren. Horacek: "Das Dilemma bei der Auszahlung ist dann oft, dass der Auszahlungsgrad eng beieinander liegt und die Leute erst frustriert sind."

Dass solche Systeme kaum jemals neutral sein könnten, sagt Karl Proyer, stellvertretender Bundesgeschäftsführer der GPA. Er habe 25 Jahre lang in vielen Unternehmen versucht, den Leistungsbegriff mitzudefinieren, und mittlerweile aufgegeben. Gewerkschaftliche Anmerkung: Mitarbeiter müssen wissen, wie sie zu möglichst hoher Bezahlung kommen. Das sei wichtig.

Die Krux mit dem Messen

Horacek plädiert für ein Messsystem, das möglichst an Gesamtdaten des Unternehmens geknüpft ist - wobei er den Aktienkurs damit explizit nicht meint - oder sich relativ an den Peers der Branche orientiert.

Wenn es bei leistungsorientierter Entlohnung um Steuerung und Gerechtigkeit gehe, so Professorin Ortlieb, dann sei zu bedenken, dass der Gender Pay Gap nach Einführung solcher Systeme größer werde, das belege die Forschung. "Aus irgendeinem Grund werden offenbar Frauen und Männer anders beurteilt." Einen generell "gefährlichen Defekt" aus der Forschung bringt sie überdies ein: Mitarbeiter würden umso mehr leisten, je besser man sie im Ungewissen halte, also je weniger konkretes Feedback sie erhalten.

Dass Jahresziele, an die Bonus und variable Gehaltsbestandteile geknüpft sind, in sich viele Dilemmata bergen, gesteht Horacek zu: Wenn es ums Budget geht, dann werde vermutlich entsprechend budgetiert. Und: In Zeiten großer Umbrüche und raschen Wandels könnten Ziele vielleicht nicht halten, oder es würden unterjährig ganz andere Themen aktuell, die dann aus dem Fokus geraten.

Zerstörerische Effekte

Frage an die Personalprofessorin, ob nicht leistungsorientierte Entlohnung der Kern allen Übels - Stichwort Investmentbanker - sei? Man müsse schauen, über welche Gruppen im Arbeitsleben man redet, so Ortlieb. Aber: Ja, auch die zerstörerischen Effekte seien beobachtbar, etwa in den Banken an der Kundenfront, wo Verkaufsprämien echte Beratung und somit ein ganzes Jobprofil untergraben hätten.

Dass die Wirkung solcher Systeme in der Gesamtorganisation genau angesehen werden müssen, dazu mahnt auch Gewerkschafter Proyer: "Was nicht mehrheitsfähig ist, wird sicher nicht zu mehr Produktivität führen." Er habe mehr gescheiterte Systeme leistungsorientierter Entlohnung gesehen als solche, die funktionieren. Die Modelle, die Berater in Firmen bringen, seien oft intransparent und nicht handhabbar. (Karin Bauer, DER STANDARD, 18./19.10.2014)