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Nur echte Ungarn sollen den Boden des Landes bestellen.

Foto: Reuters / Laszlo Balogh

Budapest/Wien – Seit Monaten sorgt das neue ungarische Bodenrecht, das am 1. Mai in Kraft trat, für erhebliche Unruhe unter österreichischen Bauern, die in Ungarn landwirtschaftliche Flächen bewirtschaften. Dadurch sind alle unbefristeten oder noch laufenden Nießbrauchsverträge – das sind Verträge, die Nichtangehörigen Nutzungsrechte an landwirtschaftlichen Flächen einräumen – erloschen (Gesetzblatt 212/2013). Nach der Bundesregierung in Wien hat sich nun auch die EU-Kommission durch Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens der Sache angenommen.

Ungarn hat sich beim EU-Beitritt 2004 eine Übergangsfrist zur Freigabe bzw. Regelung des landwirtschaftlichen Grundverkehrs vorbehalten, die am 30. April 2014 endete. Der Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen durch Nichtungarn war schlichtweg untersagt. Dieses Verbot wurde zum einen durch sogenannte "Taschenverträge" umgangen; oder es wurde versucht, durch langlaufende schuldrechtliche Nutzungsverträge eine langfristige Nutzung der Flächen sicherzustellen, was durchaus als Erwerb von "wirtschaftlichem Eigentum" betrachtet werden kann.

Bei "Taschenverträgen" und anderen verschleierten Konstruktionen bestehen keine Zweifel, dass es sich um Umgehungsgeschäfte handelte, die nach ungarischen Recht nichtig sind. Ganz anders ist der Sachverhalt bei den Nießbrauchverträgen oder lang laufenden Pachtverträgen gelagert. Mit Abschluss eines derartigen Vertrages räumt der Eigentümer der Flächen dem Nutzer ein zeitlich befristetes Recht zur Nutzung seines Eigentums ein.

Keine Übertragung

Es kommt – rechtlich gesehen – zu keiner Übertragung des Eigentumsrechtes: Der Eigentümer kann weiterhin die Fläche veräußern, belasten oder vererben – aber nicht selbst nutzen. Nach Ablauf des Nutzungsrechtes ist die Fläche – wie bei jeder gemieteten Sache – an den Eigentümer zurückzustellen. Zur Sicherstellung wurden diese Verträge auch im Grundbuch eingetragen. Im Regelfall wurde das Grundbenützungsentgelt vom Nutzer für die gesamte Vertragsdauer im Vorhinein bezahlt.

Dass derartige Verträge dem Nutzer eine Quasi-Eigentümerstellung einräumen, war von allen Beteiligten gewollt und bis 2001 zulässig, was auch vom Obersten Gerichtshof in Ungarn bestätigt wurde. Das ändert aber nichts daran, dass durch derartige Verträge das Verbot der Veräußerung landwirtschaftlicher Flächen de facto unterlaufen wurde. Zum Vergleich: In den österreichischen Grundverkehrsgesetzen wird die Einräumung von (langfristigen) Nutzungsrechten an landwirtschaftlichen Flächen dem Eigentumserwerb gleichgestellt und unterliegt einer Genehmigungspflicht.

Erlöschen problematisch

Das neue ungarische Bodenrecht hat zumindest pro futuro eine Regelung geschaffen, die durchaus mit den österreichischen Grundverkehrsgesetzen vergleichbar ist. Problematisch ist allerdings das Erlöschen laufender Verträge.

Grundsätzlich fällt ein gesetzlicher Eingriff in bestehende Verträge oder Rechtspositionen in den Gestaltungsspielraum eines nationalen Gesetzgebers. Dies wird auch in Österreich in einer Reihe von Fällen etwa im Mietrecht, Abgabenrecht und zuletzt bei der Hypo Alpe Adria, laufend praktiziert. Der Grundsatz ist aber, dass eine Änderung von eingeräumten Rechten sachlich begründbar sein muss.

Im Fall der ungarischen Nießbrauchsverträge entsteht durch die Vorausbezahlung des Nutzungsentgelts ein erhebliches Ungleichgewicht: Der österreichische Vertragspartner kann etwas nicht mehr nutzen, wofür er bereits voll bezahlt hat; der ungarische Partner kann seine Pflichten – nämlich die Überlassung der Flächen – nicht mehr erfüllen.

Rückzahlung praktisch unmöglich

Aus zivilrechtlicher Sicht lässt sich dieser Konflikt recht einfach lösen: Das Nutzungsrecht endete am 1. Mai 2014, und der Nutzer erhält den Betrag zurück, den er noch nicht "konsumiert" hat. Dieser Weg wird in der Praxis aber daran scheitern, dass die Eigentümer der Flächen weder über die ausreichenden Mittel für eine Rückzahlung verfügen noch diese wollen.

Und abgesehen vom Eingriff in europäische Grundfreiheiten sieht auch die ungarische Verfassung eine Enteignung nur im außergewöhnlichen Fall aus öffentlichem Interesse vor – und nur gegen volle, unbedingte und sofortige Entschädigung. Auf die Antwort aus Budapest auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren kann man daher gespannt sein. (Fanni Hahn, Wolfgang Friedl, DER STANDARD, 20.10.2014)