Aktuelles Design in der Kulisse von Wiens ältestem Hutsalon, Mauerer, einer wunderbaren Stube der Finesse und der Moden.

foto: jürgen skarwan

Erinnerung an Felix (links) und Shivas.

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Völker lebt noch, Gott sei Dank.

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Raffinierte Frischluftzufuhr für ein Wahrzeichen und ein Haupt.

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Kappl-Kontemplation.

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Tatsache ist, dass Lauda nach seinem Unfall 1976 eine Kappe brauchte, um den Kopfverband zu sichern. Man hat ja zum Glück längst vergessen, wie der Niki damals wirklich ausgeschaut hat.

Boulevardmäßig war das ein gefundenes Fressen. Bild schrieb unter dem Titel "Mein Gott, wo ist sein Gesicht?": Niki Lauda, der schnellste Rennfahrer der Welt, hat kein Gesicht mehr - es ist rohes Fleisch, die Augen quellen heraus ... Wie kann er ohne Gesicht weiterleben? So grauenhaft es klingt: Auch wenn sein Körper wieder ganz gesund ist, wird er sich ein halbes Jahr nicht unter Menschen trauen. Erst Anfang 1979 wird sein neu geformtes Gesicht fertig sein. Nase, Augenlider, Lippen sind dann geformt. Dieses Gesicht wird seinem früheren Gesicht kaum noch ähnlich sehen. Nur an seiner Mimik und an seiner Sprache werden Freunde den Rennfahrer erkennen."

Im echten Leben traute sich Niki schon ein paar Wochen nach dem Unfall "unter Menschen" und sogar ins Cockpit des Ferrari zum Comeback in Monza. Willi Dungl hatte einen Verband konstruiert, mit dem es zwei Stunden unter einem Helm auszuhalten war. Für die restliche Zeit brauchte der Kopf mehr Luft, unter welcher Kappe auch immer. Es bot sich die baseballmäßige Goodyear-Kappe an, da passten Bandagen drunter.

Völker: War die Kappe mehr Selbst- oder Verletzungsschutz?

Lauda: Ein Kappl war lebensnotwendig. Meine versengte Glatze und das fehlende Ohr waren keinem Menschen zuzumuten, und die Kappe schützte mich ein bissl vor den Menschen und vor mir selber, wenn ich mich in den Spiegel schaute. Zwar hab ich an den Blicken der Leute gemerkt, dass jeder eigentlich unters Kappl schauen wollte, aber die Neugier war immer noch besser als der nackte Schrecken. Die Leute gewöhnten sich also daran, dass der Lauda ein Kappl trug, wann immer man ihn sah.

Die Goodyear-Kappe war ein bissl ein stylingmäßiges Ungetüm ...

Das war ja nur eine Notlösung. Ich hatte ein Gespräch mit dem Römerquelle-Chef wegen Vertragsverlängerung, da hätt' ich außer dem Helmdesign auch das entsprechende Kappl getragen. Es war eine höllische Zeit für mich. Verbrannte Ohren, die Birne tat noch immer weh, Druck von Ferrari, Blödheiten in der Presse, Superfragen in Pressekonferenzen (" Wird sich Ihre Frau scheiden lassen, so wie Sie jetzt ausschauen?"), da bist du schon froh, wenn du Halt bekommst bei deinen alten Partnern. Da sagt der Römerquelle-Herr: Nein, keine Vertragsverlängerung: Ich weiß ja nicht, was Sie in Zukunft überhaupt noch bringen können. Marlene ist gerade mit dem Kaffee auf die Terrasse gekommen. Ich hab gesagt: Der Herr XY braucht keinen Kaffee mehr, er will schnell gehen.

Unser unvergessener Freund Willi Dungl, der einzig gültige Fitness-Papst, hat uns erklärt, wie man das macht, dass man sich nicht ärgern muss: "Tief einatmen, Schultern bis zu den Ohren hochziehen, tief und pustend ausatmen und sich dabei das Nicht-ärgern-Wollen vorsagen. Das Ganze ist über einen längeren Zeitraum oft zu wiederholen, bis im Unterbewusstsein dieser Schalter gegen Adrenalinausstoß und Pulserhöhung funktioniert." Nebenbei hat der Willi noch gemeint: "Beim Niki genügt, dass er sich durch seinen Verstand sagen lässt, Ärger sei ungesund. Drum war es ihm möglich, auch die dümmsten und ärgerlichsten Momente zu überstehen."

Es dauerte auch nicht lange, bis der Ferrari-Konstrukteur Forghieri zu Lauda sagte: Parmalat will mit dir reden. Große Firma, Salami und Joghurt. Und ein Joghurt-Fan war Lauda eh schon seit der ersten Dungl-Predigt.

Österreichische Ikone

Das Parmalat-Kappl war dann für mehr als drei Jahrzehnte eine österreichische Ikone, man kann das auch nach ein bissl Nachdenken so stehen lassen. Manchmal in Blau, später nur noch in Rot.

Niki wurde damit zum dritten Mal Weltmeister, gründete Lauda Air, zog gegen die AUA in den Krieg, suchte im Dschungel von Thailand nach ersten Spuren der Absturzkatastrophe, war tausendmal im Fernsehen, äußerte sich zu Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Feminismus, sprach kluge Worte und auch etlichen Schmarrn, und immer war das Kappl dabei. Es kam (und kommt) dazu, was man das Kreisky-Syndrom nennen darf: Die Weisheit eines Menschen muss nicht in jedem seiner Sätze wohnen. (Einer unserer Skistars hat in den 1990er-Jahren auf die Frage nach den drei gescheitesten Menschen der Welt geantwortet: Bill Gates, Albert Einstein, Niki Lauda).

Im Zweifelsfall genügte das Kappl, um der Öffentlichkeit den Weg zu weisen. Kreisky hat übrigens im damaligen Streit zwischen AUA, Verkehrsministerium und dem aufstrebenden Jung-Airliner gesagt: "Herrschaften, mir reicht, dass seinerzeit der Professor Porsche unser Land verlassen hat, ich möcht' net auch noch den Herrn Lauda verlieren".

Weder Käs noch Salami

Klar, man konnte inzwischen auch den entsprechenden Parmesan im Supermarkt kaufen, aber die Parmalat-Botschaft war weder Käs noch Salami, sondern Niki, Österreich. Wir hatten das sehr gern, dieses Kappl, und unsere Kinder wuchsen auf damit. Achtzigerjahre, was war da? Der Niki mit dem roten Kappl. Was stand drauf? ... Öh, Parmalat, oder?

Aus Nikis Erinnerung kündigte der Sohn des Parmalat-Gründers nach einem Vierteljahrhundert den Vertrag, quasi: Wir brauchen dich nicht mehr. Nach anderen Recherchen war Parmalat damals schon am Ende, Pleite und riesiger Korruptionsprozess, der sogar für italienische Verhältnisse ins Fach der romantischen Oper schlug.

Blaue Peinlichkeit

Was in unserer Wahrnehmung folgte, war die Banalisierung der Farbe Rot. Viessmann ist natürlich ein tadelloser Hersteller von Heizungen, aber mit einem Viessmann-Kappl konnte man nimmer die Nation beschirmen. Rot, immerhin. Den größten Respekt hatten wir vor der Kohle, die wir uns in diesem Zusammenhang für den Kapplträger ausmalten. Auf Viessmann folgte Oerlikon, viel schlechter, weil Rüstungsbetrieb, dann kam eine Peinlichkeit, die wir schon vergessen haben, noch dazu in Blau. Sie dauerte ein Jahr.

Dann kam Abu Dhabi, wieder in gefälligem Rot, mit dem Schriftzug aabar, der uns auf angenehme Weise fremd blieb. Was sollte man viel zu aabar sagen? Mit aabar wären wir nach laienhafter Einschätzung auch durch den Jihad gekommen, auf beiden Seiten.

Der Gebrauchswert der Kappen war damals noch nicht der liebevollen Fügung der Birgit unterworfen. Frühes Zitat Lauda:

"Ich trage eine Kappe jeweils so lang wie meine Schuhe, also ungefähr ein halbes Jahr. Dann sind Kappen ein bissl verfilzt und Schuhe ein bissl verhatscht." Mittlerweile geht's sehr ordentlich zu, und die Kappln werden jeweils in 30er-Packungen angeliefert. Für einen gewissen Schwund sorgt allein schon der Hund. Früher waren es sogar zwei Hunde, die sich um den roten Knochen stritten.

In den 90er-Jahren verselbstständigte sich der Marktwert des Kapplträgers genauso wie die schützende Selbstironie von einem, der lädiert ist. Zu einem der Jubiläen seines Nürburgring-Unfalls war eine TV-Begehung angesagt. Einer der Kumpels hatte zuvor ein schrumpeliges Ding an der Unfallstelle versteckt, und Niki fragte die Journalisten, ob hier vielleicht jemand ein Ohrwaschl gefunden hätte, "weil ungefähr an dieser Stelle muss es gewesen sein".

Auch oben ohne

Von Fotografen, die er mochte, anfangs von Ernst Kainerstorfer, dann von Jürgen Skarwan, ließ sich Lauda auch oben ohne fotografieren. Ohne Getue, ohne Styling, unter Freunden, im Swimmingpool, relaxt, ohne dass jemand eine Show draus machen würde. Daheim nimmt er die Kappe sowieso immer runter. Draußen war Lauda indes nie ohne Kopfschutz anzutreffen.

Hannes Rausch (69) ist Nikis Freund seit 35 Jahren. Rausch ist von Hauptberuf Ästhet, dann auch Maler, Designer und ein narrischer Hund, wie ihn Lauda als Ausgleich zur genormten F-1- und Business-Welt brauchte und schätzte und weiterhin schätzt. Rausch war Mastermind aller frühen Lauda-Air-Designs, vom Dreieckgeschirr über die Bestuhlung der Australien-Jets bis zu den Außenfarben der 767er-Flotte, dann auch der frühen Niki-Airline. Ein rarer Tüftler, ein Liebender des Details. Seine heikelsten Jobs, sagt er, seien die Schuhe der Stewardessen und die Kappln des Chefpiloten gewesen.

Zärtliche Nuancen

Die Fürsorge des Freundes bezüglich der Befindlichkeiten des Amtsträgers beginnt beim Stoffkontakt für die verbrannte und danach noch immer heikle Kopfhaut, für den Luftpolster trotz Verzichts auf doofen Baseball-Look, für das Schirmdesign über Jahrzehnte hinweg - vom Flachdach zur leichten Wölbung an den Kanten in zärtlichen Nuancen. Was wie tausendfache Dutzendware aussieht, ist handbearbeitet und schmiegt sich perfekt ans verschrumpelte Ohr.

Auch die Schriftzüge der Marken werden von Hannes Rausch behutsam redesignt. Das Parmalat-Emblem war natürlich einsame Spitze, mit einer g'wissen "olympischen" Ausstrahlung. Banale Buchstaben machen weniger her, und wenn eine Firma sagt, ihr Logo müsse um 30 Grad schiefstehen, geht Rausch in den Infight. Auch der aktuelle Schriftzug brauchte eine Aufbesserung. Rausch erfand "Winning Technology", womit das Novomatic- Thema auf höchst attraktive Weise verschwurbelt wird.

Völker: Niki, ich hätte dir ein segensreicheres Generalthema gewünscht als das Glücksspiel. Aber du siehst das offensichtlich anders.

Lauda: Komplett anders. Ich bin glücklich mit Novomatic, und sie sind glücklich mit mir. Ich hab mir alles genau erklären lassen: wie alles penibel kontrolliert wird und alles total legal vor sich geht. Sonst hätte die Marke nie weltweit so anerkannt und erfolgreich werden können.

Passt das zu dir? Vorbild der Jugend?

Die Jugend muss für sich selbst entscheiden, was sie will.

Okay, trotzdem: Empfindest du eine gewisse Vorbildfunktion für die Jugend?

Ich sehe da keine Aufgabe, um mich wichtig zu machen. Auf der anderen Seite würde ich mich auch nicht wohlfühlen, wenn ich mich blöd aufführen tät'. Es ist mir sicher nicht wurscht, wie Max und Mia (fünf Jahre, Anm.) mich eines Tages im Rückblick sehen werden.

Ab wann dürfen Jugendliche an den Automaten spielen?

Du willst mich nur ärgern. Schluss jetzt.

(Herbert Völker, DER STANDARD RONDOMOBIL, 25.10.2014)