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Die Touristin, die die Pariser Oper verlassen musste, trug einen Nikab. Dennoch wurde gegen sie das Burkaverbot wirksam, das seit 2011 in Kraft ist.

Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes

Die Soiree an der Pariser Oper hatte festlich begonnen, die Traviata war eben erst in Fahrt gekommen. Da folgte schon das dramatische Momentum: Während einer Pause trat ein Sitzanweiser im Publikum diskret zu einer völlig verhüllten Frau - so es denn eine war - in der ersten Reihe; er sprach sie kurz an, worauf sich ihr Begleiter erhob und den Saal zusammen mit der Frau verließ. Verdis Dreiakter ging ohne weitere Unterbrechungen weiter.

In Paris setzte die Aufregung aber erst jetzt ein. Erstmals war eine Burkaträgerin der Oper verwiesen worden. Bei dem Corpus Delicti handelt es sich in Wirklichkeit um einen Nikab, der bis auf die Augenpartie den gesamten Körper verhüllt. In Frankreich benützt man allerdings nur das Reizwort "Burka" für den afghanischen Schleier mit dem Gesichtsgitter. Bei der betroffenen Opernbesucherin soll es sich hingegen um eine Touristin aus einem Golfstaat gehandelt haben.

Am Eingang der Oper hatte sie niemand aufgehalten, obwohl ein französisches Gesetz die Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit seit 2011 ausdrücklich untersagt. Zum Zwischenfall kam es erst während der Vorstellung, als Mitglieder des Chors sich weigerten, vor der verschleierten Person zu singen. Der Sitzanweiser bat sie darauf - wie vom Gesetz vorgeschrieben - das Gesicht zu entblößen oder den Raum zu verlassen.

Touristinnen-Frage

Die Burka-Debatte dreht sich in Paris seit einiger Zeit um die Frage, wie die Behörden mit saudischen und anderen Touristinnen im Nikab umgehen sollen. In Taxis und Hotellobbys wird ihr Nikab geduldet; auf dem Gehsteig gilt aber das Verbot. Offenbar wird es aber unterschiedlich angewendet, da sogar die Angestellten in der Pariser Oper keine einheitliche Linie verfolgen.

Vor wenigen Tagen machte in einem Pariser Bahnhof ein weiterer Fall Schlagzeilen. Nadine Morano, eine frühere Ministerin unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, die sich gerne rechtspopulistisch gibt, hatte auf einem TGV-Gehsteig vergeblich versucht, eine Frau im Nikab anzuhalten und lauthals nach der Polizei gerufen; der diensthabende Beamte wollte aber zuerst die Identitätskarte der bekannten Politikerin sehen, ohne die verhüllte Frau anzuhalten -, worauf Morano vollständig die Nerven verlor.

150 Euro Strafe

Solche Zwischenfälle machen klar, dass die Burka-Frage in Frankreich drei Jahre nach ihrer Einführung keineswegs geklärt ist - und dass sie sich auch nicht nur auf die Frage reicher Reisender aus den Ölemiraten beschränkt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes sind in Frankreich mehr als 800 Burkaträgerinnen mit je 150 Euro bestraft worden. In einigen Pariser Vorstädten wie Trappes kommt es dabei immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei, wenn diese versucht, Widerstand leistende Frauen oder Paare mit dem Bußgeld zu belegen.

Gegner des Burkaverbots weisen darauf, dass Islamisten solche Kontrollen provozieren, um sie zu "islamfeindlichen Akten" zu stilisieren. Das Gesetz vermeidet jeden Verweis auf die Religion und untersagt die Gesichtsverschleierung wegen mangelnder Identifizierbarkeit. Im Internet zirkulieren denn auch sarkastische Kommentare über das verhüllte "Phantom der Oper", wie der Roman von Gaston Leroux heißt.

Verbot als EU-Ländersache

Der Europäische Menschengerichtshof in Straßburg hatte das Burkaverbot im Juni grundsätzlich zugelassen. Der Entscheid gegen eine 24-jährige Französin pakistanischer Herkunft fiel allerdings nicht einstimmig; auch lehnten die Richter das Sicherheitsargument ab. Hingegen akzeptierten sie, dass jeder europäische Staat Regeln zum gesellschaftlichen Umgang erlassen könne. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 21.10.2014)