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Will Entscheidung in Bengasi: Exgeneral Khalifa Haftar.

Foto: Reuters/al-Fetori

Tripolis/Kairo - Ein libyscher TV-Moderator gibt auf. Seine Begründung: Es sei unmöglich geworden zu sagen, wer die Guten und wer die Bösen seien. Seit Monaten kämpfen junge Männer gegeneinander, die während der Revolution 2011 Seite an Seite die Gaddafi-Diktatur gestürzt hatten. Das Land ist tief in zwei Lager gespalten, die nicht wirklich scharfe Konturen haben.

Das Etikett "Islamisten" gegen "Nichtreligiöse" ist nur eine grobe Vereinfachung in einem komplexen Geflecht aus Religion, Stammes- und Regionsinteressen und Bindungen zum alten Regime.

Jüngst hat Exgeneral Khalifa Haftar in Bengasi eine neue Offensive lanciert, um die Stadt von islamistischen Milizen zu "befreien", die in den letzten Monaten große Teile Libyens unter ihre Kontrolle gebracht hatten.

"Operation Würde"

Im Mai war der erste Versuch von Haftars "Operation Würde"- damals noch als Meuterei apostrophiert - gescheitert. Diesmal hat er nicht nur die Bevölkerung aufgerufen, ihre Stadtteile mit eigenen Waffen zu säubern, er hat auch die Unterstützung der nationalen Armee und der international anerkannten Regierung von Premier Abdullah al-Thinni. Mehrere Stadtteile sind zu Kriegsschauplätzen geworden. Bisher sind rund 70 Tote gezählt worden.

Eine zweite Front gegen die Islamisten hat die nationale Armee vor einer Woche in Kikla in den Nafusa-Bergen südlich von Tripolis eröffnet. Auch hier gab es dutzende Tote. Ziel ist es, auch die Hauptstadt Tripolis zurückzugewinnen, die seit September unter der Kontrolle einer heterogenen Koalition aus islamistischen Milizen, hauptsächlich der Stadt Misrata, mit Namen "Morgenröte", steht. Sie stehen loyal zum alten Parlament, das eine eigene Regierung gebildet hat.

"Politik mit Waffen"

Städte, Regionen und Stämme im ganzen Land schlagen sich nun auf die eine oder andere Seite. Dabei nehmen die Kräfte der "Morgenröte" für sich in Anspruch, die echten Hüter der Revolution gegen Gaddafi zu sein und werfen der Thinni-Regierung vor, in ihren Reihen gebe es Gaddafi-Loyalisten.

Die Islamisten hatten im letzten Sommer im Parlament mit Waffengewalt das sogenannte Isolationsgesetz durchgedrückt, das Funktionsträger in der Gaddafi-Zeit von Ämtern ausschließt - Startschuss für die "Politik mit Waffen", die seither Libyen immer tiefer in Auseinandersetzungen treibt. In die heterogene Koalition der "Morgenröte" gehört auch die von Al-Kaida inspirierte Ansar al-Sharia, die von den USA als Terrororganisation geführt wird und einen Gottesstaat einrichten will.

Während die UN zu schlichten versucht, sei Libyen auch das Opfer eines regionalen Konfliktes, erklärte Außenminister Mohammed al-Dayri. Die Türkei und Katar unterstützen nach wie vor die Islamisten. Ägypten und die Arabischen Emirate engagieren sich dagegen für Thini und Haftar, wobei nicht klar ist, ob sie auch direkt militärisch eingreifen - was Kairo immer wieder bestreitet. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 21.10.2014)