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Ab Ende nächster Woche wird Jean-Claude Juncker in Brüssel vorgeben, wo es in der europäischen Politik langgeht.

Foto: EPA / Olivier Hoslet

Die EU-Kommission von José Manuel Barroso ist Geschichte, es lebe die Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker. So wird die Parole heute, Mittwoch, kurz nach Mittag lauten, wenn das Europäische Parlament dem Kollegium des Luxemburgers in einer geheimen Wahl in Straßburg seine Zustimmung geben wird.

Eine Mehrheit im Plenum ist sicher. Das zeichnete sich am Dienstag in den letzten Erörterungen der Fraktionen ab. Die politisch einzig wichtige Frage war, wie stark die Unterstützung für die 27 Kommissare und ihren Chef ausfallen wird. 420 Stimmen in etwa (von insgesamt 751 Abgeordneten) wurden von Insidern als Untergrenze für ein passables Abschneiden angesetzt. Alles, was drüber geht, wäre für Juncker ein Erfolg. Die Europäische Volkspartei (EVP, 220 Mandate) wird geschlossen für ihren Parteifreund stimmen; mit Ausnahmen auch die Sozialdemokraten (S&D, 191) und die Liberalen (Alde, 67).

Ja- und Nein-Sager

Die Grünen (50), die Linksfraktion (GUE, 52), aber auch die Nationalkonservativen (71) und die rund 100 EU-skeptischen bis extrem rechten Fraktionslosen wollen mit Nein stimmen.

Wegen des Widerstands gegen seine Bestellung seitens der Regierungschefs nach den EU-Wahlen im Mai, der schleppenden Nominierung der Kandidaten über den Sommer und zuletzt wegen der Probleme einiger von ihnen bei den Anhörungen vor den EU-Abgeordneten hatte der Kommissionspräsident einen schweren Gang bis ins Ziel. In einer Rede vor dem Plenum wird er nun erneut sein Programm und die Prioritäten für die nächsten fünf Jahre erläutern. Erst Montagabend waren der Slowake Maros Sefcovic als Vizepräsident für Energie und Klimaschutz sowie die Slowenin Violeta Bulc als Kommissarin für Verkehr durch die Hearings gegangen: Dienstag wurden die beiden von Fachausschüssen ohne eigene Abstimmung von den Koordinatoren der Abgeordneten bestätigt.

Reform der Anhörungen

Besonders Bulc, die sachpolitisch viele Schwächen zeigte, aber selbstbewusst und gewinnend im Auftreten war, konnte aufatmen. Sie war statt der gescheiterten Alenka Bratusek im letzten Moment nachnominiert worden.

Othmar Karas (VP) und Evelyne Regner (SP) sprachen sich für eine umfassende Reform der Anhörungen aus: Die nächste Kommission müsse rascher ins Amt kommen, EU-Staaten müssten mehrere Kandidaten vorschlagen, der Präsident auswählen können, und er selber müsse angehört werden.

Der scheidende Präsident José Manuel Barroso zog in seiner Abschiedsrede am Dienstag vor den EU-Abgeordneten eine ernüchternde Bilanz seiner zehn Jahre dauernden Amtszeit seit 2004. Dies seien "zehn Jahre der herausragenden Krise gewesen", aber auch der Lösungen. Nach der Ablehnung des EU-Verfassungsvertrages habe eine Krise begonnen, zu der 2008 eine Finanz- und Wirtschaftskrise dazugekommen sei, 2014 eine globalpolitische Krise mit den Auseinandersetzungen mit Russland wegen der Ukraine. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 22.10.2014)