Mit der österreichischen Neutralität ist das so eine Sache: 1955 wurde sie ohne große Begeisterung beschlossen, quasi als Preis für den Abzug der alliierten Besatzungstruppen - besonders der russischen, denn es war die Sowjetunion, die den Staatsvertrag verzögert hatte. Mit der Formel, dass Österreich neutral nach Schweizer Vorbild werde, konnten sich die poststalinistischen Besatzer zufriedengeben und abziehen.

Die Kommunisten jubelten: Österreich würde nicht so bald in den Westen integriert werden - vor allem nicht militärisch. Und auch eine wirtschaftliche Integration erschien den Russen nicht wünschenswert. Noch 1989, Monate vor dem Mauerfall, schickte Moskau ein Aide-Mémoire, also einen Denkzettel, nach Wien, um Österreich an seine Neutralitätspflichten zu gemahnen und vor einem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft zu warnen.

In gewissem Sinne sind die russischen Befürchtungen wahr geworden: Österreich ist heute fest in die EU und ihre Sanktionspolitik eingebunden. Militärisch ist es formal neutral, nimmt aber an allerhand von der UNO sanktionierten Militärabenteuern teil, was international durchaus Anerkennung findet. Aber nicht bei der FPÖ: Deren Chef Heinz-Christian Strache orientiert sich rückwärtsgewandt an der Neutralität des Kalten Krieges. Aktuell sucht er Fühlung nach Moskau wie seinerzeit die KPÖ. Eine Zukunft dieser Politik mag man sich lieber nicht vorstellen. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 22.10.2014)