"Die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden hat sich 2009 sehr schön gezeigt", sagt der ÖVP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle.

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STANDARD: Heute vor fünf Jahren wurde das Wiener Audimax besetzt. Kurze Zeit später erreichte Unibrennt auch die Uni Innsbruck, deren Rektor Sie damals waren. Im Gegensatz zu Ihren Kollegen besuchten Sie den besetzten Hörsaal und nannten die Proteste "Universität im besten Sinne" - warum?

Karlheinz Töchterle: Zu dieser Aussage stehe ich. Wenn sich Studierende für die Belange der Wissenschaft und der Gesellschaft und die Verbindung der beiden engagieren, dann ist das Universität im besten Sinne. Die Universität ist ursprünglich die universitas magistrorum et scholarium - also die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, 2009 hat sich diese Gemeinschaft sehr schön gezeigt. Gerade in letzter Zeit hat man immer das politische Engagement der jungen Leute vermisst. Und wenn es dann plötzlich einmal da ist, muss man das aushalten können.

STANDARD: Wie stehen Sie jetzt im Rückblick zu den Protesten?

Töchterle: Die Studierenden haben damals teilweise Bildungsansichten vertreten, die ich auf Platon zurückgeführt habe - also sehr aristokratische Konzepte, mit sehr viel Idealismus versehen. Heute muss man schon daran denken, dass man irgendwann mit dem, was man gelernt hat, auch Geld verdient. Dem kommt man nicht aus, insofern bleiben einige Probleme, die damals formuliert wurden, so bestehen.

STANDARD: Eines der Lieblingsdiskussionsthemen bei Unibrennt war die Verflechtung von Wissenschaft und Wirtschaft. Letztes Jahr hat sich diese auch durch die Zusammenlegung der Ministerien vollzogen - haben die Audimaxisten eine berechtigte Sorge vorweggenommen?

Töchterle: Ich bezweifle, dass die Entscheidung, die Wissenschaft ins Wirtschaftsministerium zu geben, Ausdruck einer grundlegenden Geisteshaltung ist. Das war eher der Pragmatik der Situation geschuldet. Allerdings haben Wissenschaft und Wirtschaft immer mehr miteinander zu tun - und das ist auch nicht unbedingt schlecht. Gefährlich wäre, wenn die Wirtschaft das alleinige Diktat über die Wissenschaft hätte. In der jetzigen Konstellation der Ministerien kann die Wissenschaft klarerweise aufgrund der Fülle an Ressortzuständigkeiten leider nicht die Aufmerksamkeit genießen, die ihr meiner Meinung nach zusteht.

STANDARD: Es wurde kaum eine der Forderungen der Besetzer erfüllt - birgt das Potenzial für erneute Besetzungen?

Töchterle: Es gibt jetzt eine größere Sensibilität und Möglichkeiten der Mitsprache. Deswegen sehe ich kein Unibrennt am Horizont, aber vielleicht täusche ich mich.

STANDARD: Ist diese verringerte Bereitschaft zu protestieren auch Produkt der verschulteren Studienpläne?

Töchterle: Das glaube ich nicht. Die Verschulung bedeutet ja nicht Knebelung. Den Trend zur Verschulung sehe ich schon lange, Bologna hat ihn vielleicht verstärkt. Dieses Portionieren von Bildung ist ein grundsätzliches Problem für Universitäten und die Wissenschaft.

STANDARD: Sie halten heuer wieder Vorlesungen in Innsbruck - sind Sie gerne wieder an der Uni?

Töchterle: Ja, das ist der Beruf, den ich gewählt und jahrzehntelang ausgeübt habe. Es ist in vielerlei Hinsicht das schönere Geschäft als das politische - vor allem das als Minister. Es ist allerdings auch sehr herausfordernd. Ich war jetzt sieben Jahre von der Lehre weg - zuerst als Rektor, dann als Minister -, und mit dem Anspruch, den ich mir immer gestellt habe, am Puls der aktuellen Diskussion zu lehren, ist das jetzt ziemlich aufwändig. Ich muss viel aufholen.

STANDARD: Und worum geht es in der nächsten Vorlesung?

Töchterle: Ich werde unter anderem die antike Komödie auf ihre politische Dimension hin ansehen. Das mache ich sehr gerne, damit habe ich mich intensiv beschäftigt - da kann ich aus dem Vollen schöpfen.