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Die Forscher analysierten die DNA von Individuen, die zwischen 5.700 und 850 Jahren vor unserer Zeitrechnung gelebt hatten. Die Ergebnisse legen nahe, dass kulturelle Neuerungen durch Vermischung einzelner Populationen weitergegeben wurden.

Foto: Johan Norderang/AP/dapd

Dublin/Europa-weit - Kulturelle Entwicklungen gingen in der europäischen Frühgeschichte mit großen Veränderungen im menschlichen Erbgut einher, wie eine Untersuchung des Genoms von 13 Menschen aus dem 6. bis 1. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung in Mitteleuropa zeigt. So zeigte sich beispielsweise, dass die Fähigkeit zur Verdauung von Kuhmilch später entstanden ist als ursprünglich gedacht. Die Ergebnisse stützten die Hypothese, dass kulturelle Neuerungen durch Vermischung einzelner Populationen weitergegeben wurden, erklärten Wissenschafter.

Alle Menschen, deren DNA das Team um Cristina Gamba vom University College Dublin (Irland) sequenziert hat, hatten in der Großen Ungarischen Tiefebene gelebt, so der Bericht im Fachblatt "Nature Communications". Diese Region, im südlichen Ostmitteleuropa gelegen, sei eines der zentralen Gebiete gewesen, an denen östliche und westliche Kulturen aufeinandertrafen und ein Ort kulturellen und technologischen Übergangs, schreiben die Wissenschafter. Die ältesten Überreste stammten von zwei Menschen aus der Jungsteinzeit, die um etwa 5.700 vor unserer Zeitrechnung gelebt hatten. Die jüngsten hatten etwa 850 Jahre vor unserer Zeit in der Eisenzeit gelebt. Somit umfasst die Erbgut-Analyse rund 5.000 Jahre europäische Frühgeschichte.

Stabil bis in die Kupferzeit

Die Forscher verglichen die Erbgut-Sequenzen mit bereits veröffentlichten Daten anderer früher Europäer sowie mit denen heute lebender Menschen. Sie stellten fest, dass die Erbgut-Sequenz während der Jungsteinzeit und bis in die Kupferzeit hinein relativ stabil geblieben war. In der Bronzezeit gab es dann massive Veränderungen, wie die DNA-Untersuchung bei zwei Menschen zeigte, die um das Jahr 2000, beziehungsweise 1200 vor unserer Zeitrechnung gelebt hatten. In dieser Zeit nahm der Handel mit Rohstoffen und Gütern in der Region zu, entlang einer Nord-Süd-Route entstanden den Forschern zufolge zahlreiche Siedlungen.

"Diese Veränderungen lassen sich im Grunde nur dadurch erklären, dass Menschen aus anderen Populationen eingewandert sind und sich mit den Einheimischen vermischt haben", erläuterte Michael Hofreiter von der Universität Potsdam, der an der Untersuchung beteiligt war. Im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, während der Eisenzeit, kam es erneut zu einer starken Veränderung des Genoms. Dieses Mal stammten die Einflüsse aus dem Osten. Auch archäologische Funde aus der Zeit deuteten auf eine verstärkte Nähe der damaligen Europäer zu Reitervölkern aus der eurasischen Steppe hin.

Laktosetoleranz erst ab der späten Bronzezeit

In weiteren Untersuchungen zeigten die Forscher, dass im Verlauf der Evolution Haut und Haare der europäischen Menschen heller wurden. Viele Experten gehen davon aus, dass dies die Bildung von Vitamin D erleichterte, das den frühen Bauern aufgrund ihrer vorwiegend getreidereichen Kost fehlte. Die genetischen Voraussetzungen zur Verdauung von Kuhmilch mit Hilfe des Enzyms Lactase entwickelten sich der Untersuchung zufolge später als bisher angenommen, und zwar erst während der späten Bronzezeit. Zu dieser Zeit betrieben die Bauern schon lange Milchwirtschaft. Vermutlich hätten sie aber zunächst hauptsächlich verarbeitete Milchprodukte zu sich genommen, die auch ohne das entsprechende Enzym keine Verdauungsprobleme bereiteten, sagte Hofreiter.

Kürzlich hatten Wissenschafter in einer anderen Studie mit Hilfe von DNA-Vergleichen gezeigt, dass die meisten der heutigen Europäer von mindestens drei verschiedenen Populationen abstammen: von Jägern und Sammlern aus Westeuropa, den ersten europäischen Bauern und von einer Population aus dem Norden Eurasiens, die wiederum eine Verbindung zu den Ureinwohnern Amerikas besitzt. Das internationale Forscherteam unter Leitung von Johannes Krause von der Universität Tübingen hatte seine Arbeit im September im Fachmagazin "Nature" vorgestellt. (APA/red, derStandard.at, 25.10.2014)