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Jean-Claude Juncker teilt Macht mit Vizepräsidenten: "In meinem Alter keine Diktatorenkarriere."

Foto: Reuters/Hartmann

Es ist das eine solide Mehrheit, auf der man aufbauen kann", sagte Johannes Hahn, der künftige Kommissar für Nachbarschaftspolitik und Erweiterung, zur Wahl der EU-Kommission durch das EU-Parlament am Mittwoch in Straßburg. Dieses sei "auf dem Weg zu einer parlamentarischen Normalität". 423 von 751 Mandataren hatten für das Team von Jean-Claude Juncker gestimmt - bei 209 Nein-Stimmen, 67 Enthaltungen. 52 Abgeordnete haben an der namentlichen Abstimmung nicht teilgenommen.

Für eine Bestätigung der Kommission war eine absolute Mehrheit, also 376 Stimmen, nötig. Auffällig am Ergebnis: Praktisch geschlossen stimmte die Volkspartei (EVP) mit Ja; und von den 191 Sozialdemokraten votierten nur zwei Dutzend Abgeordnete nicht für die Kommission. Von den 67 Liberalen enthielten sich sechs Mandatare der Stimme.

Grüne, Linksfraktion, die EU-Skeptiker des Briten Nigel Farage und des Italieners Beppe Grillo votierten fast geschlossen gegen Juncker, ebenso die Fraktionslosen der extremen Rechten mit Front National und FPÖ. Die Fraktion der Nationalkonservativen um die britischen Tories war gespalten.

Kein "Knecht des Parlaments"

Das Ergebnis spiegelt deutlich die neuen Umstände, unter denen in Straßburg bis 2019 die Gesetzgebung nach den Wahlen im Mai ablaufen wird: Es gibt eine stärkere Polarisierung der Lager.

Das trifft sich mit der Ankündigung von Juncker in seiner zweiten programmatisch starken Rede vor dem Plenum (nach jener bei seiner Wahl im Juli): Er wolle eine "sehr politische Kommission" anführen. Diese werde nicht das "Generalsekretariat des Ministerrates" der EU-Staaten sein, er nicht "der Knecht des Parlaments". Er wolle gemeinsam mit einer in der Struktur umgebauten Behörde politisch gestalten, Prioritäten setzen. "Die Zeit der Kirchturmpolitik ist zu Ende, wo jeder Kommissar in seiner Ecke sitzt", erklärte Juncker.

Er habe eine Reihe ehemaliger Regierungschefs im Kollegium und 19 Exminister. Seine Präsidentenmacht wolle er mit den Vizepräsidenten bewusst teilen. Seine Stellvertreter würden die Kernpunkte der Kommissionspolitik mit den Fachkommissaren eng koordinieren. Juncker führte ein umfassendes Programm vor, machte aber deutlich, dass es vor allem um zwei, drei Hauptziele gehe. Ganz oben steht die Ankurbelung von Wachstum, die Überwindung der Krise, um die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpfen zu können. Er erneuerte sein Versprechen, ein europäisches Investitionsprogramm vorzulegen, bei dem 300 Milliarden Euro in die Realwirtschaft fließen sollen. Aufgrund der Dringlichkeit werde dies vorgezogen; es soll noch vor Weihnachten auf dem Tisch liegen.

Juncker bekannte sich zur Sanierung der nationalen Haushalte, aber: "Ich muss der Idee, dass Sparen zu Wachstum führt, eine Absage erteilen." Flexibilität sei im Stabilitätspakt nötig.

Kritiker an TTIP eingebunden

Was den Investorenschutz (ISDS) beim Handelsabkommen mit den USA (TTIP) betrifft, schloss er erneut aus, dass europäische Gerichte und Regeln ausgehebelt werden. Es werde keinen Abschluss ohne Zustimmung seines Vizepräsidenten Frans Timmermans geben, der für Grundrechte zuständig ist. So bindet er die SP in die Verantwortung ein. (Thomas Mayer aus Straßburg, DER STANDARD, 23.10.2014)