Ein Ensemble von Claude Monets Bildern der Londoner Waterloo Bridge stellt unter Beweis, worauf es dem Meister des Impressionismus ankam: flüchtige Stimmungen festzuhalten.

Foto: National Gallery of Canada, Ottawa
Foto: McMaster Museum of Art, Hamilton, Schenkung Herman H. Levy, Esq., OBE, 1984
Foto: Foto: John R. Glembin copyright: Milwaukee Art Museum, Hinterlassenschaft Mrs. Albert t. Friedmann

Wien - Lavendelblau und golden strahlt es dem Betrachter entgegen, ganz so als handele es sich nicht um ein Gemälde auf Leinwand, sondern eine Lichtquelle. Eine Intensität farbigen Lichts breitet sich aus und dominiert vibrierend die Atmosphäre. Wahrzunehmen, dass sich im Raum noch andere Bilder befinden, kommt einer Willensanstrengung gleich.

Die pastosen Farbflecken mit der den Blick geradezu hypnotisierenden Wirkung gehören zu Claude Monets Kathedrale von Rouen in der Sonne von 1893. Der gotische Sakralbau in der Normandie war eines jener Motive, die Claude Monet (1840-1926) immer wieder zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten gemalt hat. Denn er wollte nicht nur einfach eine Kirche, eine Brücke, einen Garten malen, sondern die spezielle und schöne Stimmung, die Atmosphäre einfangen: die Impression eines kurzen Moments.

Ein Anspruch, den er als "großes Leiden" und auch als Unmöglichkeit empfand; das Gesetz der Serie - mehrere Bilder zum Ensemble zusammenzuspannen - erschien ihm als einzige Lösung. Monet war oft unzufrieden mit den Ergebnissen, hunderte Bilder soll er zerstört haben, viele davon voller Wut und mit einem Fußtritt mitten in die Leinwand.

Wer einmal die Intensität von Monets Farbgewalt am Original erlebt hat, seine Fähigkeit die Wahrheit eines Augenblicks, einer Seherfahrung in Malerei zu übersetzen, der kann sich vorstellen, welche immense Wirkung die Bilder des Impressionisten auf seine künstlerischen Zeitgenossen gehabt haben müssen.

Klimt, Boeckl, Weiler

Genau um die geht es in der aktuellen Ausstellung in der Orangerie des Belvedere. Auch. Um Österreichische Künstler und das Werk des großen Impressionisten, also etwa um Vertreter des Stimmungsimpressionismus wie Tina Blau, Carl Moll, Olga Wisinger-Florian und Theodor von Hörmann, oder um ungleich bekanntere Vertreter der österreichischen Kunstgeschichte: Gustav Klimt, Herbert Boeckl oder Max Weiler.

Es war zwar nicht genau diese, das Präludium der Schau dominierende Kathedrale von Rouen (eine Leihgabe aus Boston), die vor über hundert Jahren in Wien (1912 in der Galerie Arnot) ihre Wirkung entfaltete, aber eine ähnliche, ins Mittagslicht getauchte Variante.

Monets Bilder waren jedoch bereits vor der Jahrhundertwende in Wien präsent. Vereinzelte Quellen gehen sogar davon aus, dass schon bei der Weltausstellung 1873 Der Zug (1872) zu sehen war. Sicher ausgestellt waren Frühwerke sowohl im Künstlerhaus 1898, als auch - und insbesondere - bei der dem Impressionismus gewidmeten Schau 1903 in der Secession. Auf die diesbezüglichen Forschungen geht der Katalog ein, in der Ausstellung könnte man dies nicht annähernd ausbreiten.

Denn sollten sich in den kleinen Salons gleichzeitig mehr als drei Personen aufhalten, ist es mit dem Genuss vorbei. Nicht nur den Besuchern drohen bei dem erwartbaren Publikumsansturm (Hoppla! Monet!) klaustrophobische Zustände, nein auch den Bildern, hätte man mehr Entfaltungsspielraum gewünscht. Die Monet umkreisenden Satelliten baden nicht nur in seiner Sonne, sie drohen (das Entrée stellt eine Ausnahme dar) beinahe dessen Wirkung zu verschatten. Distanz schafft Nähe, wäre das bessere Motto der Hängung gewesen.

Irritierend ist diesbezüglich etwa die Begegnung auf Augenhöhe von Boeckls Erzberg-Serie und ganzen fünf (!) aus Denver, Ontario, Ottawa, Milwaukee und Zürich angereisten Leihgaben - Bilder aus Monets ebenso berühmter wie sensationeller Reihe zur Londoner Waterloo Bridge (1902/ 1903). Kostbarkeiten, denen in Wien einfach der Platz zum Atmen fehlt.

Viele Gegenüberstellungen beweisen Kennerschaft und schulen den Blick, Zauber verbreitet sich allerdings kaum. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 24.10.2014)