Christoph Grissemann, Oliver Welter und Dirk Stermann spielen gemeinsam Theater: "Es bricht unsere starre Situation auf."

Foto: Ingo Pertramer

STANDARD: Herr Grissemann, Sie haben neulich in Ihrer TV-Show "Willkommen Österreich" gemeint, jedes Mal, wenn Sie Ihren Partner Dirk Stermann sehen, schwinde sofort die Motivation, gemeinsam etwas zu machen. Wie wollen Sie nun das Theaterstück "Für die Eltern was Perverses" stemmen? Grissemann und Stermann ekeln sich gegenseitig an, und Oliver Welter singt dazu?

Christoph Grissemann: Das ist endlich der passende Pressetext! Das, was Welter zum Stück beiträgt, hat natürlich eine menschliche Komponente, die Garderobenstimmung vermitteln soll. Nach 30 Jahren mit Stermann schleicht sich backstage eine unendliche Tristesse ein. Man weiß ja nicht mehr, was man mit dem anderen reden soll. Wenn Welter dabei ist, geht das. Es bricht unsere starre Situation auf. Das macht dann ein bisschen mehr Spaß als sonst. Unser größtes Talent ist ja nicht die Schauspielerei, sondern, dass wir alle drei gute Stimmen haben. Am Besten wäre es, wenn die Leute im Theater die Augen schließen und das als Hörspiel genießen.

STANDARD: Wenn die Beziehung einzuschlafen droht, nimmt man beim Sex gern diverse Hilfsmittel.

Dirk Stermann: Ja, Oliver Welter ist eine Sexpuppe - aber eine sehr alte! Wir haben mal eine Doku über die Wildecker Herzbuben gesehen, die ja auch schon 10.000 gemeinsame Auftritte hatten. Die haben dann irgendwann angefangen, nicht mehr gemeinsam zu Konzerten zu reisen, sondern in zwei Autos hintereinander. So ähnlich ist es bei uns auch. Es ist, wie wenn sich die Wildecker Herzbuben einen richtigen Musiker dazunehmen würden.

STANDARD: Wie weit ist Ihr Stück fortgeschritten? Immerhin wurde die Presseaussendung bezüglich des Inhalts schon einmal geändert.

Grissemann: Der Text steht. Es geht jetzt darum, ihn mit Leben zu füllen. Wie genau wir auf der Bühne agieren werden, wissen wir immer noch nicht. So wie wir arbeiten, ist das Ganze dieses Mal allerdings schon relativ früh weit gediehen. Das geht sich schon aus.

Stermann: Welter mischt sich ja leider auch ein. Seine Figur und sein Text wachsen ständig. Er sprengt das nicht nur in der Vorbereitung, er wird das auch auf der Bühne tun.

STANDARD: Herr Stermann, Sie haben neulich auf Facebook ein unendlich trauriges Garderobenfoto aus der Provinz gepostet, darf...

Grissemann: Stermann postet jetzt schon Garderobenfotos? Ich fasse es nicht.

Stermann: Komm, Du weißt doch auch, wie schlimm es an solchen Orten aussieht!

Grissemann: Ja, ja, ist ja gut.

STANDARD: Darf man sich das Bühnenbild im Stil einer Inszenierung Christoph Marthalers vorstellen, depressiv machende Räume in Mehrzweckhallen der Plattenbau-Ära?

Grissemann: Ja. Wir wussten übrigens nicht, dass Marthaler für ein Stück auch schon einmal einen lebenden Plattenspieler verwendet hat. Den gibt Welter bei uns jetzt auch. Das ist ein wenig peinlich.

Oliver Welter: Es ist doch nicht peinlich, sich bei Marthaler zu bedienen.

Stermann: Jedenfalls haben wir das jetzt geändert. Das Stück spielt nicht länger in einer Künstlergarderobe, sondern in einer tristen Reihenhaussiedlung. Grissemann und ich wohnen schon ewig nebeneinander und wir führen die ewig gleichen, ein wenig aus der Welt rausgekippten Gespräche.

Grissemann: Ich bekomme dann einen lebenden Plattenspieler geliefert, den "Herkules 3000". Und es passieren die tollsten Dinge.

Stermann: Na ja.

STANDARD: Wilhelm Genazino hat einmal geschrieben, dass ein Plattenspieler ein grausames Gerät sei. Er zwinge die Menschen dazu, immer wieder dasselbe zu hören.

Grissemann: Ja, genau, das stimmt.

STANDARD: Sie kündigen für Ihr Stück auch einen "metaphysischen Schauder" an. Hat das damit zu tun, dass man als Kabarettist von der jungen Bissigkeit langsam in die reflektierte Altersresignation wechselt?

Stermann: Bei uns ist das insofern umgedreht, weil der Plattenspieler selbst wahnsinnig genervt davon ist, was er da spielen muss. Wir fordern von ihm Lieder, die er schon tausendmal gespielt hat und das nicht mehr machen kann und nicht mehr machen will. Resignation ist übrigens eine ganz normale Reaktion auf das Unterhaltungsgeschäft. Wenn du nicht völlig gaga bist, wird sich dein Humor irgendwann Richtung resignativ-fröhlich verändern.

Grissemann: Im Vorfeld habe ich nie Spaß an meiner Arbeit. Auf der Bühne habe ich Spaß daran, die Ergebnisse zu präsentieren. Mir macht es auf der Bühne auch mehr Freude als im Fernsehen. Auf der Bühne mache ich das, was mir gefällt. Bis aber die verdammten Sätze eines Stücks oder Programms stehen, die dann ja eine gewisse Endgültigkeit haben, das ist extrem enervierend.

STANDARD: Wird viel gestritten?

Grissemann: Es wird diskutiert. Bis sich drei Leute auf einen Satz einigen, vergeht wahnsinnig viel Zeit.

STANDARD: Sie gelten nicht gerade als probenfreudig. Wie schaut es mit dem Textlernen aus?

Grissemann: Das Auswendiglernen als Minimalanforderung ist derzeit die größte Herausforderung. Dieses Mal wird nicht groß herumimprovisiert werden. Ich bin mit starken Schweißausbrüchen konfrontiert.

Stermann: In der Kleinkunst ist es so, dass man die ersten 50 Auftritte herumprobiert. Nach dem hundertsten Mal kann man es. Nach 200 Abenden wird einem langweilig, nach 300 Mal fängt es an zu schmerzen - und nach 400 Mal wird es unerträglich. Grissemann könnte dann noch 400 Mal das gleiche spielen. Er genießt das.

Welter: Hundert Shows zum Aufwärmen wären im Rock 'n' Roll etwas schwierig.

Stermann: Im Tanztheater auch.

STANDARD: Wird es bei aller Textlastigkeit im Stück auch Momente der stillen Verzweiflung geben?

Grissemann: Das wissen wir nicht. Es kommt darauf an, mit welchem Tempo wir das spielen werden.

Stermann: Wir sind Dilettanten, und wir haben keinen Regisseur. Wie gesagt, das ist eine Herausforderung.

Grissemann: Die Frage ist, was mache ich auf der Bühne mit den Händen, während ich spreche, soll ich nachdenklich eine Kaffeetasse in die Hand nehmen?

STANDARD: Welche Musik, die er immer wieder spielen muss, wird Oliver Welter nerven?

Grissemann: Lieder von Helene Fischer und Andreas Gabalier.

Welter: Das ist unfassbare, unpackbare, schreckliche Musik!

Grissemann: Wobei Welters Version von Atemlos durch die Nacht etwas wirklich Bezauberndes hat.

Welter: Ich höre mir viel Dreck an, aber I sing a Liad für di von Andreas Gabalier geht gar nicht.

Stermann: Schreiben Sie, Oliver Welter versucht, Andreas Gabalier Seele einzuhauchen.

STANDARD: Sie wirken alle etwas geknickt.

Welter: Müde und niedergeschlagen ist dasselbe. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 24.10.2014)