Leise quietschend fällt das Hoftor ins Schloss, dann verschluckt einen die Stille um das Landhaus Las Calas - zumindest für den Moment. Magüi Carratalá García begrüßt ihre Gäste bestimmt und mit kräftiger Stimme: "Spät ist es geworden, das Abendessen wartet!" Mit auffordernder Geste zeigt sie in Richtung des ummauerten Gartens, der das 200 Jahre alte Anwesen erst zur Oase macht. Und plädiert dennoch dafür, das Dinner im Haus dahinter einzunehmen. "Ist schon ein wenig frisch", befürchtet sie und meint damit die 18 Grad, die an diesem Herbstabend jeden Mitteleuropäer auf Gran Canaria glücklich machen.

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In Tejada bieten gleich mehrere Haciendas und Fincas ihren Gästen diesen Blick auf den Roque Nublo, den markantesten Berg Gran Canarias.
Foto: picturedesk/franz walter

"Papas Arrugadas mit Mojo, Puchero oder Sancocho kann ich anbieten. Und zum Nachtisch ein Eis mit Bienmesabe." Die Papas, Erdäpfel mit Salzkruste und einer roten oder grünen Paprikasauce, sind eine eigene Mahlzeit. "Puchero" wird auf den Kanaren Eintopf aus Rind-, Schweine- oder Hühnerfleisch genannt, "Sancocho" das salzige Fischfleisch vom Meerraben und "Bienmesabe" die Mandelcreme mit Zimt und Zitrone. Es sind Gerichte, wie man sie auf den spanischen Inseln im Atlantik zu Hause für die Familie kocht. Doch zunehmend werden sie in Landhäusern wie diesem in La Lechuza serviert, wo sich Gäste eben wie daheim fühlen sollen.

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Von Garcías Hacienda Las Calas führt ein kurzer Weg an der Fataga-Oase vorbei ...

Insgesamt 59 Herrenhäuser, die Haciendas, Landsitze, die Fincas, restaurierte Mühlen und Bauernhäuser hat das Fremdenverkehrsamt der Insel unter das gemeinsame Dach von "Gran Canaria Natural" gebracht. Es sind durchwegs unabhängige Häuser, die meisten davon befinden sich im Norden der Insel, ein paar liegen südlich der Kraterspitze Pico de las Nieves. Dafür ist in den vergangenen Jahren auch so mancher Euro aus Brüssel in den Wiederaufbau der Kleinode geflossen. Die Inselregierung will ganz bewusst eine würdige Alternative zum Massenanstrum auf Maspalomas schaffen. Dort wird zwar das große Geld mit dem Sonnenhunger der Europäer vom Kontinent gemacht, aber das allein ist nicht Gran Canaria.

Piekfeiner Weg zum Pico

"Vergessen Sie Ihre Sonnencreme nicht, wenn Sie dort hinauf wollen", ruft García ihren Gästen am nächsten Morgen hinterher. Von La Lechuza sind es mit dem Auto nur 30 Minuten bis zum zerklüfteten Dach der Insel beim Roque Nublo, aber auch Linienbusse fahren von San Mateo auf das Plateau. Oben lässt sich eine piekfeine Tageswanderung zum Pico de las Nieves realisieren.

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... bis zum Barranco de Fataga.

Die beiden Berge konkurrieren gewissermaßen um den Titel des Inselwahrzeichens: Der Wolkenfels Roque Nublo ist der markanteste Punkt auf der Insel, schaut durch die zerklüftete Kraterlandschaft ein wenig aus wie die Oberfläche des Mondes. Sein "Konkurrent", die Schneespitze alias Pico de las Nieves, ist mit 1.949 Metern der höchste Punkt der Insel. Dessen rötliche Felsformationen erinnern eher an den Mars. Von beiden ist der Ausblick auf die Insel Teneriffa mit ihrem viel mächtigeren Vulkan, dem 3718 Meter hohen Pico del Teide, spektakulär.

Ruhige Tage im Landhaus

Erst im Frühjahr wird das Grün der Kanarenkiefern wieder Akzente in der Kargheit der Vulkantäler Gran Canarias setzen. Und natürlich das Weiß der Mandelblüten, das dann dominiert in den Bergdörfern Teror, Tunte und Tejeda. Auch sie sind prädestiniert für ruhige Tage im Landhaus. Im Sommer lässt sich in Tejeda am Fuße des Roque Nublos mit den Früchten der Bäume Geld verdienen, noch im Spätherbst duftet es in der Bäckerei Dulceria Nublo intensiv nach Marzipan.

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Im Sommer lässt sich in Tejeda am Fuße des Roque Nublos mit den Früchten der Bäume Geld verdienen, noch im Spätherbst duftet es in der Bäckerei Dulceria Nublo intensiv nach Marzipan.

In Teror wird hingegen ganzjährig an jedem Sonntag ein Fest für den Geruchssinn veranstaltet: Der gut besuchte Wochenmarkt zieht viele Menschen aus den benachbarten Dörfern an; der gepflasterte Platz vor der Basilika mit gleich mehreren Vermietern von Zimmern in Landhäusern nun auch ein paar Touristen. Der Ort gilt als der ursprünglichste auf Gran Canaria, diesen Titel machen ihnen aber viele Gemeinden im Inselinneren völlig zu Recht streitig. Insbesondere jene von Tunte, die mit ihren Urzeithöhlen echtes Fred-Feuerstein-Feeling bietet.

Aussichten und eine Einsicht

Von Garcías Hacienda Las Calas führt ein kurzer Weg an der Fataga-Oase vorbei bis zum Barranco de Fataga. Über der Schlucht: eine Plattform für Aussichten und eine Einsicht. Im Süden ist Sand in Sicht, die Dünen von Maspalomas. Daneben der mit spanischen Bettenburgen bestandene Strand Playa del Ingles, den einst die Niederländer erobert haben, die man für englische Piraten hielt. Bis heute ist nicht ganz klar, wer hier wen aussackelt. (Nicolas van Ryk, DER STANDARD, 25.10.2014)