Erotik in Games? Noch viel aufzuholen.

Foto: Dragon Age: Origins

Sexualität und Videospiele sind auch 2014 noch keine wirklich dicken Freunde geworden. Es fehlt im Gegensatz zur ungebrochen populären Action an spannenden Spielmechaniken, und in vielen Fällen mangelt es selbst an attraktiven Animationen. Vor drei Jahren meinte "BioShock"-Erfinder Ken Levine vollkommen richtig, dass virtueller Geschlechtsverkehr so aufregend sei, wie mit ausgezogenen Puppen zu spielen. Vergangenes Jahr noch ergründete der eine oder andere Hersteller modernere Interaktionsweisen, um das seit 20 Jahren bei schlüpfrigen Dialogen und Mini-Games wie Strip-Poker stehengebliebene Erotikgenre zur Emanzipation zu stimulieren.

Mit überschaubarem Erfolg. Bei dem Versuch, ein Interview mit den wenigen nennenswerten neuen Vorreitern von "Wicked Paradise" und Co zu bekommen, erhielt ich bei meinen Recherchen entweder keine Antwort oder musste feststellen, dass die Firmen gar nicht mehr existieren.

Lust besteht

Frustrierend, da ich das Gefühl habe, dass weder in der Realwelt noch im Netz das Bedürfnis nach verspielter Erotik abgenommen hat. Im Gegenteil: Bei einer Redaktionssitzung für eine kommende Beilage wurde ich erst kürzlich explizit auf den neuesten Stand in der Thematik angesprochen und musste leider auf das völlig angestaubte "Leisure Suit Larry" verweisen, mit dem Versprechen, die Entwicklungen im Auge zu behalten. Und auch an der Berichterstattung der Videospielseiten ist abzulesen, dass es Gamern nach Jahrzehnten des perfektionierten Abschießens nach süßeren Auseinandersetzungen mit virtuellen Charakteren dürstet.

Hätte man bei angedeuteter Fellatio und digitaler nackter Haut vor einigen Jahren noch über große Tabubrüche schreiben können, melden Gamespot, Kotaku und dutzende andere Fachmagazine heute nicht mehr aufgebauschte Skandale, sondern monieren erfrischender Weise die fragwürdige Qualität fiktiver Freuden. Aus der US-Alterseinstufung (ESRB) zum kommenden Rollenspiel "Dragon Age Inqusition" geht hervor (ACHTUNG: SPOILER!), dass es im Spiel zu dem einen oder anderen bizarren Sex-Talk kommt. "Ich werde mich später selbst befriedigen, während ich mit großem Respekt an das hier denken werde", lautet einer der ausgetauschten Schmeicheleien. Noch etwas plakativer: "Die Art, wie deine Brüste hüpfen, wenn ich deine Arme festhalte und dich an der Bettkante nehme ..."

Wandel der Zeit

Interessant daran ist, dass Sex in Spielen per se nicht mehr der Aufreger ist, sondern zunehmend die Einbettung erotischer Inhalte debattiert wird. Auf dem News-Aggregator N4G beispielsweise finden sich in den Top-Schlagzeilen regelmäßig Geschichten, die über witzige oder misslungene Geschlechtsakte in Videospielen berichten. "Kein Wunder, sex sells", wissen die Besserwisser, doch der veränderte Ton macht die Musik so spannend. Wurde früher vonseiten der Jugendschützer und PR-suchenden Politiker noch fingerzeigend gefragt, weshalb in Games überhaupt "Stroh liegt", hat sich der Tenor nun zu "Aufgepasst: Hier liegt Stroh!" gewandelt. Sex in Games wird nicht nur vom Mainstream nachgefragt, sondern auch debattiert.

Auf dem Pfad zum erotischen Erwachsenwerden der Games ist damit ein entscheidender Schritt passiert: Mit dem gewachsenen Anspruch der Spieler dürften auch die Bemühungen der Entwickler steigen, nicht mehr nur laue Flämmchen, sondern großes Knistern in virtuelle Welten zu bringen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 25.10.2014)