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Königliche Gardisten vor den Bildern (von rechts) von König Abdullah, seinem Kronprinzen Salman und dem Vize-Kronprinzen Muqrin.

Foto: REUTERS/FAYEZ NURELDINE

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Der Generalsekretär des Dialogzentrums, Faisal bin Abdulrahman bin Muaammar, mit seiner Stellvertreterin Claudia Bandion-Ortner, die wegen ihrer umstrittenen Äußerungen in der Kritik steht.

Foto: KAICIID/APA/Rastegar

Jetzt sitzt man ganz schön einsam da, als Abdullah-Zentrum-Versteherin, die es bei dessen Gründung im November 2012 als interessantes Projekt bezeichnet hat. Die Kontroverse um Claudia Bandion-Ortner, die Vizegeneralsekretärin des "King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue" (Kaiciid), und ihr skurriles Profil-Interview ist Wasser auf den Mühlen jener, die es immer gewusst haben: Das Abdullah-Zentrum ist Saudi-Arabien, und zwar das Saudi-Arabien des Köpfeabschlagens und der Frauenrepression.

Und das offizielle Österreich unterstützt das mit Steuergeld, indem es zumindest anfänglich die, so der Eindruck, zum Sprachrohr Saudi-Arabiens gewordene Frau Bandion-Ortner bezahlt und überhaupt das Zentrum fördert.

Behauptung einer Unabhängigkeit

Auch wenn das Kaiciid selbst unter der Unbedarftheit seiner Vizegeneralsekretärin - diese darf ja auch bei anderen Gelegenheiten etwas sagen - leiden mag, vielleicht hat es sie ja wirklich verdient. Denn sie macht unfreiwillig auf einen Konstruktionsfehler des Zentrums aufmerksam, der offenbar nicht so leicht aufzulösen ist: die Behauptung einer Unabhängigkeit, die nicht kommuniziert wird oder werden darf. Oder kann, weil es sie doch nicht gibt?

Es stimmt, das Kaiciid ist eine internationale Organisation mit einem international und multireligiös besetzten Vorstand. Die wissenschaftlichen Direktoren, die US-Amerikanerin Hillary Wiesner und der Kanadier Patrice Brodeur (für Programme respektive Forschung), haben astreine akademische Hintergründe (beide Harvard). Aber halt, Wiesner und Brodeur, hat diese Namen irgendjemand, der kein Insider ist, schon einmal gehört? Nein, und sie sind auch auf der Kaiciid-Homepage nicht leicht zu finden. Nicht so wichtig? Was ist mit dem, was sie tun? Antwort: Die auf der Homepage beschriebenen Veranstaltungen sind so dargestellt - Multikulti-Foto zuerst -, dass man geradezu den Eindruck bekommen muss, dass die PR das wichtigste Anliegen des Zentrums ist. Wer nach echten Inhalten über das übliche Dialoggesülze hinaus sucht, wird sich bald frustriert abwenden.

Sunniten als erste Opfer

Frustrierend ist letztlich auch die tatsächlich vorhandene Erklärung (von Ende August) gegen den "Islamischen Staat" im Irak: "A United Front Against Violence in the Name of Religion" (Eine gemeinsame Front gegen Gewalt im Namen der Religion). Das Kaiciid verurteilt "jede Gewalt gegen Sunniten, Schiiten, Christen und Jesiden". Der "Islamische Staat", eine vom Himmel gefallene oder auch aus der Hölle gekrochene Organisation, die Sunniten, Schiiten, Christen und Jesiden umbringt, in dieser Reihenfolge.

Die Schiiten, Christen und Jesiden mögen das etwas anders sehen: Die IS ist eine Organisation, die aus der radikalen Sunna kommt und von viel zu vielen Sunniten - auch in Saudi-Arabien - nicht als Terrororganisation gesehen wird. Leicht verärgert liest man denn auch die Erklärungen diverser sunnitischer Muftis, die stets mehr den Islam zu verteidigen scheinen als die Opfer.

Ein Lichtblick ist jedoch jene des Chefs der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC): Er sagt klipp und klar, dass die Vertreibung der Christen aus Mossul ein untragbares Verbrechen ist, das die irakische Gesellschaft zerstört. Der OIC-Chef Iyad Amin Madani kommt aus Saudi-Arabien. Warum kann er etwas sagen, das das Zentrum offenbar so nicht sagen kann? Ist es keine saudische Meinung, dass der Irak ohne Christen nicht mehr der Irak ist?

Klares Bekenntnis fehlt

Im Juni, als Mossul christenfrei gemacht wurde, gab es im Kaiciid die Veranstaltung "Fostering Common Citizenship among Christians and Muslims in Arab Societies": Ja, Christen und Muslime - und alle anderen! -, gleiche Bürger einer Gesellschaft, genau das ist das richtige Thema. Aber warum bekennt sich das Zentrum nicht klarer dazu? Wem hat man Angst auf die Zehen zu steigen?

Die Antwort ist natürlich in Saudi-Arabien zu suchen - und sie gehört genau in den Komplex der Fragen, die das Kaiciid prinzipiell einmal spannend machen. Zugegeben: für Spezialisten. Denn in der Tat kann niemand verlangen, dass der normale österreichische Steuerzahler, der sich vor dem wahhabitischen - dem lokalen salafistischen - Islam in Saudi-Arabien fürchtet, sich dafür interessiert. Man darf sich jedoch dafür interessieren, auch wenn es nicht mehrheitsfähig ist, weil es abseits der gängigen Stereotypen und populistischer politischer Argumentation liegt.

Das Kaiciid ist nämlich ein Produkt des innersaudischen Diskurses, einer Richtungsdebatte, sogar eines Kulturkampfes. Und - und da irren diejenigen, die es als wahhabitisches Missionszentrum sehen - es steht auf der Seite, von der man will, dass sie diesen Kampf gewinnt. Wenn man so will: Es hat eine antiwahhabitische Botschaft nach innen.

Bittere Pille

Der alte König Abdullah hat mit seinem vorsichtigen Modernisierungskurs eine Medizin verordnet, die nicht allen schmeckt: und zwar nicht nur den religiösen Eliten, sondern auch vielen im gesellschaftlichen Unterbau. Auch das Kaiciid ist eine bittere Pille, mit seinem Vorstand, in dem auch Vertreter von Religionen sitzen, die in Saudi-Arabien nicht einmal als solche anerkannt sind (hingegen allgemeiner Meinung ist nicht der Jude das Problem beziehungsweise kein religiöses) und seiner Erwähnung der Jesiden.

Richtungsdebatte in Saudi-Arabien? Die gehören doch alle weg – diese Typen aus dem kulturellen Mittelalter unterscheiden sich doch nur in Nuancen voneinander, was ihre Lust auf Moderne betrifft: Ja, auch das kann man sagen.

Das System hinwegfegen

Wer sich aber nach den Entwicklungen der vergangenen drei Jahre im Nahen Osten wünscht, dass auch Saudi-Arabien kollabiert, dass dieses System von einem Sturm hinweggefegt wird, der hat starke Nerven. Wenn sich die Kritiker des Regimes wirklich um die Menschen dort sorgen, dann müssen sie sich eine andere Form des Wandels wünschen.

Und da hat Bandion-Ortner auch einmal recht: Es tut sich viel im Königreich, das ja auch aus historischen Gründen nicht überall gleich "wahhabitisch" ist (der früher osmanische Hijaz etwa ist anders als der Najd, wo die Sauds und Ibn Abdulwahhab im 18. Jahrhundert ihr Bündnis schlossen). Es gibt Kräfte, die begriffen haben, dass die Engführung des Islam in einer Sackgasse mündet. In einer globalisierten Welt geht es nicht ohne Akzeptanz, dass es andere Wege zu Gott gibt außer dem eigenen salafistischen. Oder dass es Menschen gibt, die Gott überhaupt nicht brauchen - zugegeben, das ist die Lektion für Fortgeschrittene. Wenn es zu verstörend wird, setzt das Mantra - Generalsekretär Faisal bin Abdulrahman bin Muaammar will alle dazu "bekehren" - vom Dialog ein. Dialog ist der Weg ist das Ziel. Und es ist ja auch nicht so, dass Teilnehmer an den diversen Konferenzen und Programmen nichts davon haben. Wahhabitische Mission sind diese jedenfalls nicht.

Fortschritte und Rückschritte

Der Ausgang all dessen ist ungewiss, hier und in Saudi-Arabien. König Abdullahs Maßnahmen - wie die aktuelle Anti-Extremismus-Kampagne - kommen spät und sehen von außen zaghaft aus. Aber dass Frauen in der Schura sitzen, ist ein großer Schritt, auch wenn die Schura kein gewähltes Parlament ist, so ist sie nicht "machtlos". Auch ein saudischer König muss seine Position immer wieder neu verhandeln.

Ja, aber diese Frauen gehören doch zur Oberschicht, nicht zum unterdrückten Volk! Die Annahme, dass der Druck nach Öffnung vor allem von unten ausgeht, ist falsch. Er kommt stärker von den - oft im Ausland ausgebildeten - Eliten. Tausende Stipendiaten werden zum Studium in andere Länder geschickt. Das wird von ultrakonservativen Geistlichen mit Fatwas kommentiert, die Reisen ins Ausland, und gar ins nichtislamische, für unerwünscht erklären. Sie werden ignoriert.

Es gibt auch Rückschritte: 2009 ernannte König Abdullah einen reformfreudigen Justizminister – der täglich an den konservativen klerikalen Richtern scheitert. Es gibt mehr Hinrichtungen denn je, die übrigens von der Öffentlichkeit nicht prinzipiell abgelehnt werden. Wo war das doch gleich, wo das auch eher langsam geht? Ach ja, in den USA, wo auch noch immer nicht wenige glauben, dass die Justiz im Dienste Gottes steht, eines strengen Gottes. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 25.10.2014)