"Einkaufszentren werden sich ausdifferenzieren", glaubt RegioPlan-Geschäftsführer Wolfgang Richter. Kleinere würden künftig die Nahversorgerfunktion innehaben, größere mehr auf den Dienstleistungssektor setzen.

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Vergangene Woche traf sich die Retailbranche im altehrwürdigen Wiener Odeon-Theater, um dort über die Zukunft des stationären Handels nachzudenken. Denn der Umbruch, der da gerade stattfindet, habe die gleiche Dimension, wie der Schritt vom Tante-Emma-Laden hin zur Selbstbedienung, meint Wolfgang Richter, Geschäftsführer und Inhaber des Beratungsunternehmens Regioplan, das zum 10. Retail-Expertenforum lud. Um 5,9 Milliarden Euro haben die Österreicher im Vorjahr online eingekauft. Zehn Prozent der Konsumausgaben werden in Österreich mittlerweile online getätigt. Tendenz steigend.

Dass gravierende Veränderungen ins Haus stehen, das stellte keiner der Teilnehmer in Abrede. Es brauche strukturelle Veränderungen in den Unternehmen, betonte Richter - mit einem Onlineshop alleine sei es nicht getan. Keynote-Speaker Silvio Kirchmair, Vorstand der Umdasch Shopfitting Group, hatte für Unentschlossene einige "Abwehrstrategien" für den stationären Einzelhandel parat. Ein Händler könne beispielsweise eine Vorauswahl für Kunden tätigen. Diese Funktion werde immer wichtiger: Wer beispielsweise auf Google nach "Waschmaschine" sucht, der erhält mehr als sechs Millionen Treffer. Auch der haptische Aspekt - das Fühlen, Berühren, Riechen - lasse sich im Offlinehandel besser realisieren.

Spannend auch die Idee der Mehrfachnutzung von Flächen: "Geschäfte sind zu zwei Drittel der Zeit geschlossen", sagt Kirchmair. Buchhandlungen würden abends beispielsweise ihre Flächen zunehmend für Events nutzen.

In der Mitte wird es schwierig

Immer wieder hört man außerdem, dass das Geschäft der Zukunft auch Erlebnisse bieten müsse. Sehr oft hänge dieses mit persönlichem Kontakt im Handel zusammen, etwa, wenn sich ein Kunde von seinem Gegenüber verstanden fühlt, erklärt Richter. Mit Angestellten, die ein Mindestgehalt bekommen und eine halbe Stunde vor Geschäftsschluss schon mit dem Zusammenräumen der Ware beginnen, sei so ein positives Erlebnis aber natürlich schwierig, weshalb sich das Konzept wohl eher im höherpreisigen Segment durchsetzen dürfte. Auch am anderen Ende des Spektrums gibt es Grund zum Optimismus: Auch Diskonter, bei denen sich alles auf das Wesentliche konzentriert, hätten eine Zukunft, so Kirchmair. In der Mitte werde es aber immer schwieriger.

Um eine Verbindung zwischen Online- und Offlinehandel herzustellen, hat Kirchmairs Unternehmen unter anderem gemeinsam mit dem Ars Electronica Center eine Shoppingwand entworfen - eine interaktive Wall mit Touchscreen, die in Geschäften als Zusatzangebot für die Kunden aufgestellt werden kann. Resümee nach den ersten Monaten: Einen einzigen Kunden gibt es aus Österreich, dafür wurde die Wall aber auch schon nach Mexiko verkauft. "Wir haben uns mehr erwartet", so Kirchmair. Der Handel glaube nicht daran, dass die Kunden das wünschen. Dafür würde sich eine mobile Version der Wall weitaus besser verkaufen - etwa für Pop-up-Konzepte.

Zukunft der Malls

Diese sind laut Branchenkennern ohnehin im Kommen. Zwar kommen weiterhin neue Flächen auf den Markt - etwa vor kurzem das neue Einkaufszentrum am Wiener Hauptbahnhof -, so wie heute werden diese aber in Zukunft nicht mehr aussehen. "Die Einkaufszentren werden sich ausdifferenzieren", ist Richter überzeugt. Kleinere würden künftig die Nahversorgerfunktion innehaben, größere mehr auf den Dienstleistungssektor setzen, etwa durch das Angebot temporärer Arbeitsplätze. Auch Lounges und Clubs kann er sich vorstellen. Zudem müssten Shoppingcenter immer flexibler werden und ihr Gesicht öfter verändern, etwa durch temporär bespielbare Flächen. Auch Gastronomieangebote würden zunehmen. Und einige Shoppingcenter werden auch verschwinden, prognostiziert Richter. Den stationären Einzelhandel werde es aber auch in Zukunft geben, war man sich einig. Und interessanterweise setzen auch Internetriesen wie Amazon mittlerweile auf stationäre Geschäftsflächen. "Markenimage lässt sich nämlich nur ganz schwer über das Internet bilden", so Kirchmair. (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 25.10.2014)