Wortgewaltig holt Christina Aumayr-Hajek im STANDARD vom 22. Oktober zu einem Rundumschlag gegen die Wirtschaftskammer-Organisation und den Präsidenten der Bundeskammer aus. Ob es der Hitze des Gefechts geschuldet ist oder mangelnder Recherche, sei dahingestellt, jedenfalls hält dieses Sammelsurium an Vorurteilen und Untergriffen einem Realitätscheck nicht stand.

Eines vorneweg: Die ehrliche Freude darüber, dass Österreich mit seinen in den heimischen Betrieben ausgebildeten Lehrlingen bei den europäischen Berufsmeisterschaften so viele Spitzenplätze einheimsen konnte wie sonst keine Nation, lassen wir uns nicht nehmen. Aus großer Wertschätzung für die tollen Leistungen dieser jungen Menschen in unserem Land, aber auch, weil die Top-Platzierungen bei den "Euroskills" exemplarisch für das System der dualen Ausbildung stehen, um das wir in ganz Europa beneidet werden, das ursächlich für die vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit in Österreich ist und das mit den Wirtschaftskammern steht und fällt. Spott über ein Bild, wo sich WKÖ-Präsident Christoph Leitl sichtlich über den Erfolg der Euroskills-Gewinner freut, ist fehl am Platz.

Leitls drei Pflöcke

Natürlich fordert die Wirtschaftskammer nicht nur von anderen Reformen ein, sondern setzt solche auch selber um. Die drei großen Reformpflöcke, die Leitl seit dem Jahr 2000 eingeschlagen hat, im Stakkato-Stil: Senkung der Mitgliedsbeiträge um 30 Prozent (= für die Mitglieder Kostenersparnis von 150 Millionen Euro im Jahr); Neuordnung der Fachorganisationsstruktur ab 2010 mit Reduktion der Fachorganisationen um 30 Prozent und automatischer Evaluierung alle fünf Jahre, um zeitnah auf Strukturanpassungen reagieren zu können; sowie aktuell die Umsetzung von 30 Synergieprojekten aller zehn Kammern im Backoffice-Bereich unter dem Motto "Einer für alle".

Vielfach reformiert wurde auch die Gewerbeordnung, die vor allem anderen ein verlässliches Qualitätsmerkmal für die Konsumenten und ein Atout unserer Unternehmen im internationalen Wettbewerb ist. Tatsache ist: Zu 100 Prozent reglementiert sind heute einzig freie Berufe wie Rechtsanwalt, Notar, Arzt und Apotheker. Hingegen üben in der Wirtschaft rund 60 Prozent der Gewerbetreibenden ein freies Gewerbe und nur knapp 40 Prozent ein reglementiertes Gewerbe aus.

Nebstbei: Auch die Berufsfotografie ist kein reglementiertes Gewerbe mehr. Und wie wir sehen, hängt auch die duale Ausbildung indirekt an der Gewerbeordnung. Motto: Ohne Meister keine Lehrlinge.

Die als "ineffizient" gescholtene Außenwirtschaft Austria genießt in Wirklichkeit höchste Wertschätzung - bei den Mitgliedern der WKÖ wie auch international. Warum sonst wäre sie 2012 von einer UN-Organisation als weltweit beste Außenhandelsorganisation ausgezeichnet worden? Nur zwei Zahlen dazu: 2004 waren rund 15.000 Unternehmen im Export aktiv, zehn Jahre später - 2014 - erwirtschafteten rund 45.000 Unternehmen einen Teil ihrer Umsätze und Gewinne im Ausland.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es die zitierten großzügigen Pensionsregelungen für neue Mitarbeiter schon seit den 1990er-Jahren nicht mehr gibt und dass die jährlichen Budgets im Wirtschaftsparlament (in dem übrigens die Vertreter aller großen wahlwerbenden Gruppen einschließlich der Grünen Wirtschaft vertreten sind) diskutiert und beschlossen werden. Bilanz sowie Gewinn-und-Verlust-Rechnung der WKÖ werden seit vielen Jahren auf dem Internetportal wko.at veröffentlicht. Intransparenz sieht anders aus.

Auch das Gerücht, dass über den Umweg der Zuschüsse an die wahlwerbenden Gruppen Parteienfinanzierung stattfindet, wird nicht dadurch wahrer, dass es immer wieder wiederholt wird. Richtig ist, dass die Zuschüsse zweckgebunden sind (z. B. für Internationalisierungsmaßnahmen, für Aus- und Weiterbildung usw.) und die wahlwerbenden Gruppen die sachgemäße Verwendung der Gelder jährlich bestätigen müssen.

Und der Vorwurf, die Wirtschaftskammer bewege "für die Unternehmer dieses Landes keinen Millimeter", geht völlig ins Leere und an der Realität vorbei: Selbstständige sind nirgendwo in Europa so gut abgesichert wie in Österreich (wobei es sicher noch manches zu verbessern gibt), und Länder mit einer funktionierenden Sozialpartnerschaft schneiden bei Wachstum, Beschäftigung und Jugendarbeitslosigkeit signifikant besser ab als jene, in denen Konflikte auf der Straße statt am Verhandlungstisch ausgetragen werden. Das behauptet nicht die Wirtschaftskammer, das belegen Untersuchungen unabhängiger Experten vom Wifo über das IHS bis hin zur EU.

Der Verdacht liegt nahe, dass es bei der Kritik im Vorfeld zu den Kammerwahlen mehr um eine ideologiegetriebene Effekthascherei geht als um die Anliegen der österreichischen Betriebe und deren bestmögliche Interessenvertretung. Schade drum. (Herwig Höllinger, DER STANDARD, 27.10.2014)