Zum Friedensrichter: vorne ein urtypischer Schankraum, nach hinten hin richtig gepflegte Speisezimmer.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Jedes Schnitzel wird sorgsam plattiert, fachgerecht gesalzen, paniert und in der Pfanne heraussouffliert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Schnitzelfotos werden nach Möglichkeit vermieden. Die RONDO-Redaktion weiß schließlich um die Pawlow'schen Reflexe der verehrten Leserschaft - irgendwo sind wir ja alle Österreicher. Manchmal aber lässt sich derlei wohlfeiles Kitzeln primordialer Lustzentren nicht verhindern. Das Recht bahnt sich seinen Weg bekanntlich auch gegen Widerstände.

Und ein Schnitzel von der Art, wie es im Friedensrichter an der Oberen Donaustraße in Wien-Leopoldstadt aus der Pfanne hupft, gehört einfach auf den Präsentierteller. Ganz besonders, wenn es, wie am Mittwoch vergangener Woche, sogar als Tagesteller um völlig schwachmatische 6,50 Euro samt Salat vor einem landet. Wohlgemerkt: Auch in so einem Fall, wo die Bröselteppiche nur so aus der Küche fliegen, wird jedes Einzelne sorgsam plattiert (eine Freude, wie es dann rhythmisch aus der Küche hallt!), fachgerecht gesalzen, paniert und in der Pfanne heraussouffliert. Die Fritteuse ist beim Friedensrichter nämlich arbeitslos, seit mit Roland Trappmaier in der Küche und Johannes Bischof hinter der Schank ein kongeniales Duo diese Pracht von einem Wirtshaus übernehmen konnten.

Apropos Schank: Der Schankraum mit seiner prachtvollen Löfler-Kühlung, den geätzten Traubenmotiven im Fenster, den grau-roten Linoleumfliesen und dem blitzblank gewienerten Resopal ist wohl einer der schönsten seiner Art. Die drei Speisezimmer, ganz comme il faut mit weißer Tischwäsche, knarrendem Parkett und der einen oder anderen altdeutschen Kredenz ausgestattet und durch riesige Fenster vom milden Herbstlicht des Donaukanals beschienen, stehen ihm aber um gar nichts nach.

Wiesenläufer-Backhuhn

Apropos Panier: Die steht im Friedensrichter auch jenseits des Schnitzels hoch im Kurs. So wird der famose Wiesenläufer von Roman Haslinger, eine Pracht von einem Freilandhendl, buttrig zart gebacken und das klassische Backfleisch Altwiener Art vom Leithaberg-Rind mit scharfem Senf und Kren mariniert, bevor es durch die Panier wandeln darf. Wenn dieses Backniveau auch bei Vollauslastung (ist eh nahe dran) gehalten werden kann, dann hat Wien vielleicht wirklich jene Kathedrale des Panierten bekommen, die der Stadt seit Jahrzehnten abhandengekommen war. Dass das Schnitzel hier explizit kein Wiener ist, sondern vom Schwein stammt, muss dem bekanntlich keineswegs im Wege stehen.

Auch nicht, dass es abseits des Backwerks noch ganz anderes grandioses Zeugs gibt: Gansl-Giblet etwa, ein Ragout aus den Innereien des Großvogels, mit Bratapfel und süßsauren Zwiebeln hinreißend hergeschmurgelt. Oder Rindsgulasch von gallertiger Urkraft. Oder Zwetschkenknödel mit Marzipanfülle und Butterbrösel, die genauso arg gut schmecken, wie sie klingen. Dazu sprudelt das goldschimmernde Hadmar-Bier aus dem Hahn, juhu! Bei den vergleichsweise unaufregenden Weinen wird, so die Auslastung derlei Spompanadeln zulässt, in den kommenden Wochen nachgebessert. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 31.10.2014)