Zwei Jahre nach ihrer Gründung ist die Euphorie bei den Neos verflogen. Die letzten zwei Wahlgänge für das Europaparlament und in Vorarlberg waren enttäuschend, und die Rahmenbedingungen für die kommenden Wahlen im Superwahljahr 2015 sind schwierig. Die Gefahr bleibt, dass die Neos den Weg des Liberalen Forums gehen und nach einigen Jahren wieder in der Versenkung verschwinden.

Das unerwartet schwache Abschneiden bei den letzten Wahlen wurde den unerfahrenen Spitzenkandidatinnen zugeschrieben. Aber das ist ungerecht. Das Hauptproblem der Neos ist ihr Gründer und Vorsitzender Matthias Strolz. Der gebürtige Vorarlberger ist ein sehr guter Organisator und Inspirator. Aber politisch ist er ein Leichtgewicht und in seiner öffentlichen Persönlichkeit ein bisschen ein Luftikus.

Bäume und Kastanien

Dass Strolz Bäume umarmt und der "Kronen Zeitung" Gedichte über Kastanien schickt, wäre ja noch hinnehmbar, wenn er bei den harten Fakten überzeugen würde. Aber das tut er nicht. Steuer- und Budgetpolitik ist nicht seines, wie man bei jeder öffentliche Diskussion sieht, und sein einziger Beitrag zur Diskussion über Pensionen ist der schöne, aber nichtssagende Begriff "enkelfit".

Im "ZiB 2"-Interview mit Armin Wolf am Dienstagabend wirkte er nicht besonders souverän: Er war gereizt und ließ sich in die Defensive drängen. Auch bei den gesellschaftspolitischen Themen, mit denen die Neos besonders gut punkten könnten, tut er sich schwer. Niko Alms extreme Religionskritik wurde vom Chef persönlich abgedreht, ohne sie durch klare Botschaften zu ersetzen.

Und dem Mitgliedervotum für die Cannabis-Liberalisierung, die von praktisch allen Drogenexperten unterstützt wird, hat Strolz erst nach einer zweitägigen Schrecksekunde seinen Segen gegeben. Auch bei der Homo-Ehe steht er eher auf der Bremse.

Buhlen um ÖVP-Stimmen

Offenbar fürchtet Strolz, von bürgerlichen VP-Anhängern, um deren Stimmen die Neos buhlen, mit solchen Botschaften abgelehnt zu werden. Doch die Strategie, sich als liberalere ÖVP einen festen Platz im politischen Spektrum zu erobern, hat durch den Wechsel von Michael Spindelegger zu Reinhold Mitterlehner tiefe Schrammen bekommen.

Die Neos brauchen jetzt ein viel klareres liberales Image als zuvor, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Das gilt für die Wirtschaft genauso wie für Gesellschaftspolitik.

Zwar kann Strolz gegen die Wirtschaftskämmerer Mitterlehner und Schelling bei Ein-Personen-Unternehmen mit dem Ruf nach Abschaffung von Zwangsbeiträgen ein wenig punkten, aber allzu viele Stimmen bringt das nicht.

Nachsitzen bei Wirtschaftsthemen

Um bei den Landtagswahlen in der Steiermark, Oberösterreich und vor allem in Wien den Grünen und der neuen VP-Spitze etwas entgegensetzen zu können, muss Strolz endlich in Wirtschaftsthemen sattelfest werden. Dafür könnte er einmal das eigene ausführliche Parteiprogramm studieren. Auch seine Ausflüge in die Esoterik sollte er ein wenig zügeln.

In Wien haben die Neos mit Beate Meinl-Reisinger zwar eine starke Spitzenkandidatin, aber das Bild der Neos wird auch hier vom Parteichef geprägt. Da ihn derzeit niemand ersetzen kann, gibt es für die Neos nur eine Chance: dass Strolz den Unternehmensberater in sich wiederentdeckt, Experten konsultiert und an seinen Botschaften und seinem Auftreten intensiv arbeitet. (Eric Frey, derStandard.at, 28.10.2014)