Hofmaler und Ritter: Diego Velázquez.

Foto: Museo de Bellas Artes, Valencia

War Velázquez ein Workaholic? Einer jener abwesenden Väter, die erst zur Schlafenszeit der Kinder heimkommen? Vielleicht. Jedenfalls ist es ein nettes Detail, dass man den "Maler der Maler" auf jenem, im Kunsthistorischen Museum (KHM) befindliche Gemälde, das seine Familie zeigt, nur ganz hinten an der Staffelei malend stehen sieht. Aber so, wie man das Bild (die erste Variation auf das berühmte Las Meninas) lange Zeit für einen echten Velázquez gehalten hatte – und irrte –, könnte es sich genauso gut um seinen Schüler und Schwiegersohn Juan Bautista Martínez del Mazo handeln.

Wenn es um den Menschen hinter den Bildern geht, wird es bei Diego Rodríguez de Silva y Velázquez, 1599 in Sevilla geboren, vage. Warum, das erklärt sich etwa durch den Umstand, dass die Malerei in Spanien damals als Handwerk und nicht als Kunst galt. Zwar war Velázquez hochgeschätzter Hofmaler in Madrid, und Philipp IV. soll seinem Angestellten auf Augenhöhe begegnet sein, aber damit erschöpfte sich die Berühmtheit. Seine dynastischen Porträts waren in Wien unter "Hofmaler des spanischen Königs" registriert; erst 1772 taucht sein Name in einem Wiener Inventar auf.

Ausgewirkt hat sich aber auch der Umstand, dass Velázquez selbst kaum zur Schreibfeder gegriffen hat. Von ihm existiere kaum mehr Geschriebenes "als die paar Signaturen seiner Ölgemälde", notierte Kunsthistoriker Carl Justi 1905 und dichtete daher in Vertretung Velázquez’ "römisches Tagebuch".

Viele Autoren rieten: Befragt seine Bilder! Dort erkennt man in der psychologischen Tiefe und immensen Würde, die er Angehörigen selbst des niedrigen Standes (Wasserverkäufer von Sevilla) verlieh, den Menschenfreund ("Immer auf das essenziell menschliche ausgerichtet", so Kuratorin Sylvia Ferino, KHM), aber auch Hundeversessenen: Nicht nur einmal hat er die treuen Tiere wie lebendig dargestellt. Neben dem großen, dösender Hund in Las Meninas ist auch im Bildnis des niedlichen, aber bereits vor seinem vierten Geburtstag verstorbenen Infanten Felipe Prospero ein weißes Hündchen herzerweckend dargestellt. Es heißt, für den Vierbeiner habe Velázquez "große Zuneigung" empfunden.

Nun zu den Fakten: Schon als Zehnjähriger begann Velázquez eine Lehre bei Maler Francisco Herrera, die er 1610 bei Francisco Pacheco, dessen Tochter er 1618 heiratete, fortsetzte. Mit Juana hatte er zwei Töchter: Die jüngere starb als Kleinkind, die ältere – Francisca – heiratete seinen Schüler del Mazo, verschied aber ebenfalls früh, nach der Geburt ihres vierten Kindes.

Bereits 24-jährig trat Velázquez in den Dienst des Königs, bekam ein monatliches Gehalt, genoss Vorzüge wie eine mietfreie Wohnung im Palast und kostenlose ärztliche Behandlung. Zwei jeweils zweijährige Italien-(Studien-)Reisen des italophilen Tizian-Fans finanzierte der König. Versüßt hat sie ihm auch eine römische Geliebte, die nicht nur Modell für die Rokeby-Venus gewesen sein soll, sondern ihm auch einen Sohn schenkte.

Neben dem Ausrichten von allerlei Hofzeremoniell, dem Ins-beste-Licht-Setzen der "Habsburger-Goscherln", war er darauf erpicht, in den Adelsstand erhoben zu werden. Ein Jahr, bevor er 1660 an plötzlichem Fieber starb, wurde Velázquez zum Ritter des Santiago-Ordens ernannt. Da dem Adel jede händische, weil unedle Tätigkeit versagt war, mussten davor 100 Zeugen bestätigen, dass Velázquez nie um des Geldes willen gemalt habe, sondern lediglich um dem König eine Freude zu bereiten. So war zwar Velázquez nobilitiert, die Malerei - um deren Ansehen es ihm zeitlebens gegangen war - jedoch noch immer nicht. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 29.10.2014)