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Bevor Fred Sinowatz auf Bundesebene das Zepter von Bruno Kreisky übernahm, prägte er die burgenländische SPÖ mit

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Prominente Gäste wie der frühere Fußballstar Niko Kovac werden von Landeshauptmann Niessl gerne empfangen

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Eisenstadt - Eine Ära geht zu Ende. Nein, nicht die des Hans Niessl. Der rote Landeshauptmann, 63-jährig, will es nach drei Amtsperioden noch einmal wissen. Und so, wie sich die politische Landschaft darstellt im Burgenland, wird ihn niemand daran hindern können, die SPÖ ins Kabinett Niessl IV zu führen.

Wie diese Regierungsmannschaft nach der Wahl im Mai 2015 zusammengesetzt sein wird, ist die wohl spannendste Frage. Noch heuer wird der Proporz der freien Koalitionsbildung weichen und so endlich ein Zustand enden, dessen muffige Nachkriegshaftigkeit so manches Allotria schon getrieben hat mit der Gesundheit des Menschverstands; bis hin zum "Seilbahnlandesrat", mit dem man die blauen Regierungseindringlinge in den 1990er-Jahren abgespeist hat; bis hin zur beinahe landesschädigenden Allüre, mit der die SPÖ 2005 bis 2010 ihre absolute Landtagsmehrheit als Alleinregierung missverstanden hat, wodurch die ÖVP sich ermuntert sah, auf der Regierungsbank die Oppositionsrolle zu spielen.

Fest gemauert in der Erde

Bis Jahresende wird diese Ära der politischen Zwangsverehelichung mit satter rot-schwarzer Verfassungsmehrheit zu Grabe getragen. Und dennoch rechnet niemand ernsthaft damit, dass sich gleich etwas Entscheidendes ändern wird. Zu fest gemauert in der Erde Pannoniens erscheinen die Verhältnisse: die Wähler treu, die Parteien durchaus verlässlich, die Ökonomie dank Brüssel weitgehend in Ordnung.

Das Wahlergebnis von 2010 - SPÖ 48,3, ÖVP 34,6, der Rest im einstelligen Prozentbereich - ist eine nicht unrealistische Latte. Dass die Nationalratswahl im Vorjahr deutlich unter diesem Ergebnis lag, trübt den Kaffeesudlesern die Einsicht nicht. Ja im Gegenteil. Während die Kleinen im Land vom Bundestrend profitieren, segeln die Großen vorm eigenen Wind. Das pannonische Nationalratswahlergebnis von 17,4 Prozent ist für FPÖ-Parteichef Johann Tschürtz (2010 neun Prozent) wohl nicht einmal ein Traum. Die 6,8 der Grünen (2010 4,2) für die Spitzenkandidatin Regina Petrik immerhin ein frommer Wunsch.

Stabiles Wahlverhalten

Nicht wenige führen die Stabilität burgenländischen Wahlverhaltens - die SPÖ fährt hier regelmäßig ihr bestes Länderergebnis ein - auf die besondere, aus Untertanentreue gewachsene Konservativität der Pannonier zurück. Das freilich übersieht, dass das Burgenland das erste Bundesland gewesen ist, das sich umgefärbt hat; und das so nachhaltig wie kein anderes. Mit weitreichenden Konsequenzen.

Vor 50 Jahren, 1964, übernahm mit dem gestandenen Neufelder Arbeiterführer Hans Bögl erstmals ein roter Landeshauptmann das schwarze Land. Der zugrunde liegende soziale Strukturwandel war da längst schon vollzogen. Bögl, der ihm 1966 folgende Langzeit-Landeshauptmann Theodor Kery und der intellektuelle Parteisekretär Fred Sinowatz verstanden es aber erstmals, die nebenerwerbslandwirtschaftenden Pendler, die von ihrer Bäuerlichkeit immerhin die Frömmigkeit sich erhalten haben, zielgenau anzusprechen.

Öffnung zur Religion

Während die Bundes-SPÖ noch dem Kulturkampf frönte, tingelte Kery orgelspielend durch die pannonischen Kirchen. Eine Öffnung zur Religion war das, die ab 1967 Bruno Kreisky der Bundes-SPÖ auferlegte.

Das Jubiläum - ein halbes Jahrhundert rotes Burgenland - wurde eher en passant begangen. Das teilt es mit zwei anderen historischen Jubiläen, die im Trubel der Alltäglichkeit fast untergegangen sind, auch wenn sie den nun anbrechenden Wahlkampf im Burgenland auf eine Weise prägen werden, die man sich nicht gerade wünscht. Exakt die Hälfte des roten Halbjahrhunderts verbrachte das Burgenland nämlich an sich öffnenden und schließlich offenen Ostgrenzen.

Drei Viertel für EU-Beitritt

Vor 20 Jahren, 1994, stimmten dann drei Viertel der Burgenländer für den 1995 vollzogenen Beitritt zur Europäischen Union, die sich bereiterklärt hatte, den armen Landstrich an ihrem damals östlichsten Rand üppigst zu alimentieren (mehr dazu hier).

Die diesbezügliche Stimmung hat sich seither durchaus verändert. Nicht nur im Burgenland, aber hier eben auch. Und die SPÖ hat sich offenbar dazu entschlossen, ihre rechte Flanke diesbezüglich ins Gefecht zu schicken und das Thema "Sicherheit" in allen möglichen Tonarten zu intonieren. Das führt zwar zu rhetorisch recht amüsanten Ausritten von FPÖ-Chef Johann Tschürtz, der sich, auf ureigenem Terrain herausgefordert, nun einem "Flüchtlingstsunami" entgegenstemmen muss, indem er dazu aufruft, "kulturnahe Flüchtlingsstädte" zu gründen.

Andererseits bedurfte es der ausdrücklichen Nachfrage des Standard, damit die auch von der SPÖ erhobene Forderung nach verstärkten Grenzkontrollen von Hans Niessl als das erklärt wurde, was einzig möglich ist: grenzüberschreitende Schwerpunktaktionen und Planquadrate, die durch jenes Schengener Abkommen, das man mit solchen Forderungen diskreditieren möchte, überhaupt erst ermöglicht wurden. Es steht durchaus zu befürchten, dass dieses In-Schwebe-Halten des jeweils Gemeinten, das den Inhalt als bloße Stimmungsmache missbraucht, zu einer Tonart dieses Wahlkampfes werden wird.

Rempelei am rechten Rand

Wieweit die Rempeleien am rechten Rand schon auf eine rot-blaue Koalition verweisen (oder, eher im Gegenteil, der FPÖ das dortige Wasser abgraben sollen), ist eine häufig hin und her gewälzte Fragestellung in Eisenstadt. Am heutigen Donnerstag präsentiert die SPÖ jedenfalls das Ergebnis ihrer großen Mitgliederbefragung, die der Parteiführung diese Option eröffnen wird.

Es ist die einzig wirklich realistische abseits von Rot-Schwarz, die freilich weiterhin die realistischste Variante bleibt. Vorderhand. Schwarz-Grün - die beiden haben einander ausgerechnet beim Flüchtlingsthema schöne Augen gemacht - wird sich nicht ausgehen. Denn nichts deutet auf einen überraschenden schwarzen Höhenflug hin. Und die hochinteressanten Mühen der grünen Spitzenkandidatin Regina Petrik - die sich ein ganzes Jahr vorbereitende Auszeit genommen hat, in der sie Monat für Monat in die unterschiedlichsten Jobs hineinschnuppert - werden dazu wohl auch dann nicht reichen, wenn die Liste Burgenland, die 2010 mit vier Prozent gerade noch hineingerutscht ist, diesmal draußen bleiben sollte. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 30.10.2014)