Auch in den österreichischen SOS-Kinderdörfern gab es nach dem Zweiten Weltkrieg Gewalt und Missbrauch. Das belegt eine neue Studie des Historikers Horst Schreiber, die nun als Buch erscheint. Er arbeitete darin die Geschichte der SOS-Kinderdörfer von 1950 bis in die 1990er-Jahre auf. 34 ehemalige Kinderdorf-Kinder haben sich laut orf.at bisher wegen Gewalt gemeldet. Die Hälfte habe Entschädigungen bekommen.

Keine systematische Gewalt

Die Studie wurde von den SOS-Kinderdörfern selbst in Auftrag gegeben. Man wolle Aufarbeitung und Transparenz, sagte Elisabeth Hauser von SOS-Kinderdorf. Das Wichtigste sei, darüber zu reden. Laut Schreiber kam es in den SOS-Kinderdörfern zu "schweren Körperstrafen". Dabei habe sich jene Gewalt widergespiegelt, die von den 50er- bis 70er-Jahre auch in den Familien Alltag gewesen sei. Schreiber betont, dass man jedoch nicht von systematischer, "terroristischer" Gewalt sprechen könne, zu der es in anderen Heimen in Österreich in diesem Zeitraum kam.

Auch sexualisierte Gewalt habe es gegeben, meist zwischen den Kindern selbst oder durch Außenstehende. Auch die SOS-Kinderdörfer hätten in diesem Bereich vieles vertuscht. Im Umgang mit der sexualisierten Gewalt habe es das gleiche totale Versagen wie in den anderen Einrichtungen gegeben, sagte Schreiber der "Tiroler Tageszeitung". Im Vordergrund sei der Schutz der Organisation und nicht die Verhinderung von Leid der Kinder gestanden. Ein weiterer Kritikpunkt der Studie ist, dass die Kinderdorf-Mütter nur unzureichend für ihre Aufgabe ausgebildet wurden.

Gegenkonzept zu Heimen

Das erste SOS-Kinderdorf entstand 1949 in Imst in Tirol. Hermann Gmeiner wollte der Massenerziehung von Waisenkindern in Heimen und Erziehungsanstalten etwas Neues entgegensetzen. Grundgedanke war ein Aufwachsen in einer familienähnlichen Situation. (red, derStandard.at, 31.10.2014)