Paxnatura hat Überurnen für Kunden entworfen. Sie sind kompostierbar und schaden den Wurzeln nicht.

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Max Mayr-Melnhof, Gründer von Paxnatura, redet gerne über den Tod. "Wir gehen die Sache weniger traurig als naturverbunden an."

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Der Blick für alle Ewigkeit: Wer sich in der Natur bestatten lassen will, kann sich den Platz für die Urne aussuchen und sich das Aschesein vorstellen. Ab 870 Euro ist man dabei.

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Naturbestattungsareale werden nicht gedüngt, kaum bewirtschaftet, alles ist ruhig: Das mögen offensichtlich auch Feuersalamander.

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Bestattet in der Natur, aber nicht unbedingt anonym: Auf Plaketten können die Namen der Verstorbenen registriert werden.

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Immer, wenn es in Salzburg regnet, wird die Luft recht schnell frisch, vor allem, wenn man Richtung Glanegg an den Fuß des Untersbergs kommt. "Ein bissl Regen hat noch niemandem geschadet", kommentiert Max Mayr-Melnhof das Wetter lapidar. Er steht im Eingang des herrschaftlich-dottergelben Gutshofes seiner Familie, ganz ländlich-sittlich in kurzer Lederhose, aber mit offenem Hemd. Er ist 44 Jahre alt und als Jüngster von zehn Geschwistern Erbe der Ländereien rund um den mit Wolken verhangenen Untersberg. Seit fast 20 Jahren ist er dafür verantwortlich. "Ich bin Land- und Forstwirt, ein Bauer", sagt er, doch vor vier Jahren hat er mit einer Geschäftsidee gestartet, die es so in Österreich noch nicht gab.

Paxnatura heißt sein Unternehmen, das an vier Standorten rund um Salzbug Naturbestattungen anbietet. Mitten im Grünen und fernab von Friedhöfen können sich Menschen zu Lebzeiten ein Urnengrab sichern. "Als Grundbesitzer denkst du viel über die Erhaltung nach, du musst erhalten, um wachsen zu können, deshalb hat die Naturbestattung super zu unserem Betrieb gepasst, da gehen wir buchstäblich zurück zu den Wurzeln", lacht er. Er ist gut gelaunt, wenn er solche Gedanken teilt. Tod als Tabu gibt es für ihn nicht, im Gegenteil, er redet gerne darüber. Mit gutem Grund: Seine Unternehmung war im konservativen Salzburg ein Risiko, doch das Geschäft, das er 2010 gestartet hat, übertrifft seine Erwartungen. Die Bäume auf der nahe gelegenen Kastanienwiese in Glanegg seien praktisch ausgebucht, sagt er, und dass die Menschen Alternativen zu Friedhöfen suchen, habe ihn - der aus einer erzkatholischen Familie kommt und sich selbst als gläubig bezeichnet - selbst überrascht.

Nur für Urnen

Dabei ist das Geschäftsmodell von Paxnatura eigentlich sehr simpel. Mayr-Melnhof widmet bestimmte Areale seines Besitzes für Bestattungszwecke, seine Kunden suchen sich dort einen Grabplatz aus und pachten ihn. Bezahlt wird einmalig und häufig im Voraus, der Platz ist auf 99 Jahre ab Eröffnung der Fläche 2010 gesichert. Paxnatura bietet eine kompostierbare Überurne, und ab 870 Euro für einen Wiesenplatz ist man dabei. Bäume sind ab 960 Euro zu haben, ein Einzelbaum der Qualität A kann bis zu 7000 Euro kosten, "aber viele teilen sich einen, wir haben einige Freundesrunden, die gemeinsam beerdigt sein wollen", erzählt er. Mehr als zehn Urnen pro Baum gingen sich allerdings nicht aus. Das Angebot von Paxnatura trifft ganz offensichtlich einen Nerv. Die Religion verliert auch angesichts des Todes an Bedeutung.

1200 Kunden haben sich bei Paxnatura in den letzten vier Jahren einen Platz gepachtet, 250 Plätze sind bereits mit Urnen belegt, einige haben Familienurnen hierhertransferiert. Die Grabplätze sind mitten in der Natur, auf einem Gedenkstein können Namensplaketten angebracht werden, auf dem Grabplatz selbst ist kein Hinweis auf die Beerdigten, nur ein Nummernschild hängt an den Bäumen, damit man sich zurechtfindet.

"Familien leben geografisch verstreut, oder die Menschen wollen ihren Angehörigen die Mühe und Kosten der Grabpflege ersparen", sagt Karin Seewald, bei Paxnatura für Marketing und Vertrieb zuständig. Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Friedhöfen: die Einmalzahlung. Auf Friedhöfen muss man die Grabmiete alle 15 bis 20 Jahre verlängern und zusätzlich für die gärtnerische Pflege des Grabes aufkommen, auch die Kosten für Fundament und Grabsteine von durchschnittlich 4000 Euro sind eher kostspielig. Alles das entfällt.

Als wichtig hat sich die schöne Aussicht erwiesen. "Viele unserer Kunden sind ortsverbunden, sie wollen den Blick auf den Untersberg oder die Aussicht auf die Stadt", sagt Seewald und ist froh, ihren Kunden, wenn auch nur nach deren Tod, das anbieten zu können. Mayr-Melnhof hat die deutsche Marketingexpertin "zufällig" beim Radeln im Wald kennengelernt, heute ist sie seine wichtigste Kraft. "Um das alles auf die Beine zu stellen, haben wir ein paar Jahre Pionierarbeit hinter uns", betont er und meint den Behördendschungel. Die Leichen- und Bestattungsgesetze sind auf Landes- und Gemeindeebene geregelt. Mayr-Melnhof ist kein Bestatter, sondern Bestandsgeber, als solcher muss er gewährleisten, dass das für Beerdigungszwecke gewidmete Areal für 99 Jahre auch für nichts anderes als für Bestattung genutzt wird.

Die Idee für die Naturbestattung hatte Max Mayr-Melnhof übrigens schon vor ziemlich langer Zeit. Sein Freund Eberhard Erbach-Erbach aus Odenwald, auch er Grundbesitzer, hatte ihm von dem Geschäftsmodell erzählt. In Deutschland teilen sich die zwei Anbieter Ruheforst und Friedwald den Markt in den Ballungsgebieten.

"Was spricht dagegen, es bei uns in Salzburg einfach selbst zu machen?", hat sich Mayr-Melnhof damals gedacht. Das war dann auch die Initialzündung für die Recherche, bei der er feststellte, dass viele Friedhöfe in Salzburg voll sind. Sie zu vergrößern geht kaum, weil sie meist mitten in den Ortschaften liegen. Und wer könnte sich das bei Baupreisen bis 500 Euro am Quadratmeter überhaupt leisten? Jedenfalls habe die Idee der Naturbestattung sogar seiner streng katholischen Mutter gefallen. "Wenn das jemand in Salzburg macht, dann wir, weil wir das dann auch ordentlich machen", habe sie zu ihrem Sohn gesagt. Diesem Satz fühlt sich der jüngste Sohn über den Tod der Mutter hinaus sehr verpflichtet.

Friedhofssoftware als Basis

War er als Jugendlicher eher unkonzentriert (Mayr-Melnhof hat sechsmal die Schule gewechselt), trieb er seine Geschäftsidee mit großer Konsequenz voran. Irgendwann hatte er sämtliche Bewilligungen. "Am Anfang haben ja viele hier in Salzburg gedacht, sie könnten auch einen Friedhof eröffnen", erinnert er sich, doch alle seien sehr schnell wieder davon abgekommen, "weil bevor du startest, musst du erst einmal ein paar Hunderttausend investieren", sagt er. Seine vier Standorte, die Kastanienwiese, die Dürre Wiese, die Vierkaseralm und Maria Plain, sind allesamt exakt von einem Geometer vermessen, Mayr-Melnhof hat eine eigene Friedhofssoftware entwickelt, "damit, wenn in 40 Jahren der Enkel aus Amerika kommt, wir auch genau sagen können, wo der Opa beerdigt ist" , erklärt er. Das funktioniert auf Knopfdruck am Computer.

Mayr-Melnhof kümmert sich um die Landschaftspflege. "Kuhfladen auf Plätzen, wo Urnen beerdigt werden, sind ein No-Go für die Angehörigen. Deshalb düngen wir nicht", sagt er ganz ernsthaft. Zudem garantiert er, dass der Wald nicht gerodet wird, "außer es kommt ein Sturm oder eine Käferkalamität". Jeder tote Baum, der deshalb gefällt werden müsste, wird ersetzt. "Wir nehmen mit unserer Geschäftsidee keinem etwas weg, nur die Steinmetze hätten durch uns Geschäft verloren", sagt er.

Was Mayr-Melnhof ein großes Anliegen ist, ist gutes Marketing. "Jeder muss einmal sterben, wir wollen aber raus aus diesem Finsteren und Traurigen rund um den Tod und gehen die Sache eher naturverbunden an."

Dass das Potenzial hat, ist sozusagen todsicher. 110.000 Menschen sterben jährlich in Österreich, rund 50 Prozent lassen sich einäschern, und theoretisch ist das genau sein Zielpublikum. Nur Moslems und Altchristen lehnen die Feuerbestattung ab und kommen als Kunden nicht infrage. Es gäbe aber auch viele, sagt Mayr-Melnhof, die aus nicht religiösen Gründen an ihrem Körper hängen.

Sich hingezogen fühlen

Zieht er selbst die Naturbestattung für sich und seine Familie - der Salzburger hat fünf Kinder, das sechste ist unterwegs - in Erwägung? Eigentlich nein, denn es gibt die Familiengruft. "Wir glauben an ein Weiterleben nach dem Tod. Jeder Mensch denkt doch über den Tod hinaus. Ich persönlich freue mich einfach darauf, meine Verwandten wiederzusehen", sagt er und knüpft damit an die Familientradition an. Sein Bruder Georg hat ihm vor 20 Jahren die Verantwortung für Grund und Boden übertragen, weil er Priester werden wollte. Daraus wurde dann zwar nichts, aber "wir glauben halt von ganzem Herzen", sagt Mayr-Melnhof und zuckt mit den Schultern. Für ihn sei es aber okay, wenn einer sagt, dass ihn "dieser Baum hier anspricht und er da begraben sein will". Dass Menschen sich zu Bäumen hingezogen fühlen, erzählt Kurt Schlechtleitner, der Förster von Mayr-Melnhof, sehr oft. Immer samstags finden Begehungen bei Paxnatura statt. So manch Interessierter ginge die Sache schon auch "ein bissl esoterisch" an, aber jeder habe eben seine eigenen Motive.

Max Mayr-Melnhof jedenfalls will den Familienbesitz zusammenhalten. Paxnatura ist für ihn ein Investment und schafft Arbeitsplätze. Für das Finanzamt ist sein Business eine eher neuartige Einkommensquelle. "Wer in die Bilanz schaut, könnte denken, wir stehen vor der Pleite. "Ich muss 1000 Euro auf 99 Jahre aufteilen, jedes Jahr sind nur zehn Euro steuerpflichtig", erklärt er. Mayr-Melnhof, der Paxnatura mit drei Partnern führt, ist de facto auf Expansionskurs. Die unlängst eröffnete Naturbestattung in Maria Plain war erstmals ein Franchise mit einer alteingesessenen Salzburger Familie, im März 2015 wird er in Purkersdorf ein Areal in Niederösterreich eröffnen.

Was zu Allerheiligen bei Paxnatura los ist. "Die Leute zünden Kerzen an, müssen sie aber wieder mitnehmen, und viele legen Blümchen hin", sagt Marketingleiterin Seewald. "Über Rosen freuen sich die Rehe ganz besonders, am nächsten Tag sind sie immer aufgefressen", ergänzt Mayr-Melnhof. Der Gedanke gefällt ihm. (Karin Pollack, DER STANDARD, 31.10.2014)