"Außer Betrieb"

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Das neugewählte bulgarische Parlament hat am Freitag mit der Debatte über ein schnell entworfenes Vier-Punkte-Papier begonnen, das den Weg zu einer Rettung der Oligarchen-Bank KTB durch den bulgarischen Staat und seine Steuerzahler ebnen soll. In der seit mehr als vier Monaten geschlossenen Bank soll einem Audit-Bericht zufolge ein Loch von umgerechnet zwei Milliarden Euro klaffen.

Bis zum 6. November soll das Parlament eine Gesetzesänderung beschließen, mit der die bulgarische Nationalbank (BNB) gezwungen wird, Banken mit "negativem Kapital" zu helfen, so heißt es in dem Papier. Am 7. November läuft für die BNB die letzte Frist aus, eine Entscheidung über die Aberkennung der Lizenz für die KTB zu treffen. Ökonomen, Unternehmervertreter und Wortführer der Demokratieprotestbewegung vom Sommer 2013 reagierten konsterniert über den Vorstoß des Parlaments, das noch ohne gewählte Regierung ist. "50 Prozent Populismus, 50 Prozent Naivität", kommentierte der Chef der UniCredit Bulbank, Levon Hampartzoumian, selbst Kreditgeber anderer politisch einflussreicher, bulgarischer Multiunternehmer. In dem Augenblick, in dem die KTB wieder ihre Türen öffne, würden Anleger sofort ihr Kapital abziehen, sagte Hampartzoumian voraus.

Keine Entscheidung

Unter Missachtung der EU-Regeln haben Konteninhaber bisher nicht die Entschädigung ihrer Einlagen bis zu 100.000 Euro erhalten, die der bulgarische Staat garantieren sollte. Denn Politiker und Behörden im Balkanland zeigten sich bis dato unfähig, eine Entscheidung über eine Insolvenz des Geldinstituts zu fällen. Personen mit Insiderkenntnissen der Bank führen dies zum einen auf die Interessen jener Konteninhaber mit Einlagen über eine Million Lewa (umgerechnet 500.000 Euro) zurück, bei denen es sich auch um Politiker und hohe Beamte handeln dürfte. Zum anderen hat KTB-Mehrheitsaktionär Tswetan Wassilew – er hält sich in Belgrad auf – Kenntnisse über Privatisierungsgeschäfte, die seine Bank in den vergangenen Jahren abwickelte und die unangenehm für die politisch Verantwortlichen sein sollen, so heißt es. Das betrifft insbesondere den Verkauf von Bulgartabak im Jahr 2011 während der Regierungszeit von Premier Boiko Borissow an zwei in Wien registrierte Unternehmen.

Borissow war es nun auch, der offensichtlich unter Rückendeckung der liberalen Wirtschaftspartei DPS, im Ad-Hoc-Ausschuss des Parlaments für Haushaltsfragen das Papier zur Rettung der KTB annehmen ließ. Die DPS und Borissows Mitterechtspartei Gerb (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) sind eigentlich politische Gegner. Die Partei der Freiheiten und Rechte (DPS) repräsentiert die türkischstämmigen Wähler in Bulgarien und zählt in ihren Reihen auch den Oligarchen Deljan Peewski. Dessen Wahl zum Chef der Nationalen Sicherheitsbehörde in Bulgarien löste im Juni 2013 monatelange Straßenproteste aus; Peewski gab sein Amt nach wenigen Tagen auf, die Koalition von DPS und Sozialisten erholte sich nicht mehr von der Peewski-Affäre und trat im Juli 2014 zurück.

"Sehr naiv"

"Wie naiv müssen wir sein, zu glauben, dass wir ein Kürzel für ein anderes austauschen, um besser zu leben? Sehr naiv", schrieb am Freitag nun der renommierte Journalist Iwan Bedrow in dem liberalen Magazin und Nachrichtenportal Klub Z. Bedrow meinte damit die Massenproteste gegen BSP (Bulgariens sozialistische Partei) und DPS, die er unterstützt hatte, und die nun augenscheinlich ähnlich undurchsichtige Geschäftsinteressen der Oligarchen vertretende Partei Gerb.

Peewski, die DPS und ihr im Hintergrund weiter wirkende Gründer Ahmet Dogan gelten aufs Engste mit der Bank KTB verbunden. Peewski war lange ein Geschäftspartner Wassilews. Als sich beide über neue Kreditforderungen Peewskis zerstritten und Peewski seine Unternehmen aus der Bank abzog, wurde die bulgarische Justiz plötzlich aktiv.

Brüssel hat bereits ein Untersuchungsverfahren gegen Bulgarien wegen der KTB eingeleitet. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ist unzufrieden mit den Antworten, die Sofia bisher gegeben hat, schreibt der Nachrichtendienst Europolitics. Weder die bulgarische Nationalbank noch der staatliche Entschädigungsfonds hätten einen Zeitplan zur Umsetzung von Empfehlungen der EBA vorgelegt, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben der Aufsichtsbehörde.

Borissow will bis zum 10. November eine Koalitionsregierung bilden, der das rechte Kleinparteienbündnis Reformblock und die rechtsnationalistische Patriotische Front angehören. Konsens im Parlament ist, dass der Chef der Bulgarischen Nationalbank seinen Hut nehmen soll. Iwan Iskrow führt seit 2003 die Nationalbank. Noch im vergangenen Frühjahr bescheinigte er der KTB eine solide Finanzlage. Die Minderheitsaktionäre der Bank, der Staatsfonds der Golfrepublik Oman und die russische Bank VTB, haben der BNB gemeinsam mit dem Wiener Unternehmen Epic ein Angebot für eine Übernahme der KTB mit einer Kapitalspritze von angeblich einer Milliarde Euro gemacht. (Markus Bernath aus Sofia, derStandard.at, 1.11.2014)