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Aus technischen Gründen musste das ursprüngliche Off-Topic-Forum aus dem Netz genommen werden. Seitdem wird es alle 10.000 Postings in ein neues Forum übersiedelt.

Foto: dapd

Ganz ehrlich: als im Dezember 2013 das Community Management nach den ersten 10.000 Postings Einladungen für ein Real-life-Stelldichein an die zwanzig meistschreibenden User verschickte (ich war mit lächerlichen 165 Postings auch eingeladen und also mit von der Partie), war ich der Meinung, dass der Termin ziemlich schlecht gewählt sei, weil sich am 24. Jänner 2014 bestimmt niemand mehr für das OTF interessieren würde.

Ich hatte unrecht.

Ich will keine Festschrift schreiben, ich will keine Lobeshymne schreiben und auch keinen Metatext. Ich will sagen, was das OTF für mich ist. Es ist mein ideales Prokrastinationswerkzeug für die Leerlaufphasen des Alltags. Das klingt ein bisschen gemein, ist aber gegenteilig gemeint. Ich adaptiere das OTF für meine Zwecke und abhängig von meiner momentanen Befindlichkeit verwende ich es. Oder auch nicht.

Praktisch eigentlich. Es ist ein Ort für den Mikrodialog, ein Ort für fundamentalen Blödsinn und auch ein Ort, an dem ich Beobachtungen des Alltags deponiere und flüchtige Tag- oder Nachtgedanken ausformuliere.

Plötzlich offline

Dass sich ein ziemlich großer Teil der Stammuserschaft im vielzitierten Real-Life kennt, ist zumindest für mich der Hauptgrund, dass ich im OTF überhaupt noch als selmasupersad poste. Den Nick mag ich on topic nicht mehr verwenden, da er zu sehr mit diesem Biotop aka Darkroom (naja) des Standard verhaftet ist.

Die wachsende Vernetzung der User außerhalb des eigentlichen Forums zeigte sich zum ersten Mal so richtig, als das "Ur-OTF" crashte. Es war ein hundsordinärer Postingtag mit GIFs, virtuellem Kaffeeeinschenken und ein paar Diskussionen auf Seite xx.

Gelegentliches Updaten, vormittägliches Diagonallesen. Plötzlich: "Wir bedauern... Unter der von ihnen gewählten Adresse/URL kann kein Inhalt gefunden werden."

Bistdugelähmtwasistdalos? Als kein Aktualisierungsversuch mehr fruchtete, wusste man: das Forum ist weg. Gegenchecken und Abgleichen der F5-Erlebnisse via SMS und Facebook waren die Folge und ein Schuldiger, also der Verfasser des finalen Todesstoßpostings, war schnell gefunden: Dr. John Dorian. Oder war es vielleicht doch der Nickändi? Man wusste es einfach nicht genau. (Anmerkung der Redaktion: Die Technik war das Problem, kein User)

Sofort wich man in die Foren anderer Artikel aus, indem man einfach den Usern auf seiner Followerliste nachfolgte (im Prinzip war das damals schon ein Prä-Geisterforum bzw. eine Vorwegnahme des Auslagerns von Diskussionen in on-topic-Artikel, die über die letzten Wochen modern geworden ist).

Business as usual, das OTF geht weiter weiter weiter. Die leise Trauer über den Verlust dieser Postinglawine ist bis heute bei manchen Usern spürbar, ich erinnere nur an die erste 10.000er-Nacht oder an die Faltergeschichte.

Verschiedene Toleranzschwellen

Mich nerven gar nicht so wenige Dinge am OTF. Es ist kein heiler Ort. Es gibt kein kollektives Wir-Gefühl, auch wenn das manchmal postuliert wird. Die Charaktere hinter den Nicks sind naturgemäß zu verschieden, als dass der Sand in der Kiste je völlig sauber bleiben könnte. Das OTF ist nicht das wirkliche Leben, aber es funktioniert mit dessen Strukturen und Mechanismen.

Die Frage lautet also: Wie schmutzig darf der Sand sein, in den ich mich setzen und mit dem ich spielen mag? Toleranzschwellen sind offenbar verschieden bemessen. Ich für mich muss sagen: meinem Energiehaushalt ist es geschuldet, dass ich mittlerweile Dinge einfach überlese. Oder einfach ziemlich vieles gar nicht lese. Weil mir nicht alles wichtig sein kann, weil mich nicht jede Nuance und Befindlichkeit tangieren kann. Das OTF ist nämlich, was es ist: ein Internetforum.

Mehr, als man sich erwarten könnte

Die wirkliche Bedeutung erhält es für mich erst im Real-Life, wenn ich merke: da gibt es eine kleine Handvoll an Menschen, die ich wirklich ins Herz geschlossen habe. Und das ist trotz der Benefits eines Forums mehr, als man sich je von einem solchen erwarten könnte.

Vor einiger Zeit schrieb ich über uns Langzeituser: "schwerst gezeichnet bis ans lebensende. stockholm-syndrom hilfsausdruck." In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag, OTF. (selmasupersad, derStandard.at, 5.11.2014)