Anonymisierte Bewerbungen als Lösungsansatz gegen Diskriminierungen (von links): August Gächter (ZSI), Christine Lüders (deutsche Antidiskriminierungsstelle), Karin Bayer (Stadt Wien), Herwig Kummer (ÖAMTC), Gerlinde Buchsbaum (AMS), Ralph Sichler (FH Wiener Neustadt) und Romana Pacher (Rewe International).

Foto: Regine Hendrich

Kein Foto, kein Name, keine Altersangabe – mit anonymisierten Bewerbungen sollen Diskriminierungen beim Recruiting Einhalt geboten werden. Was in den USA längst die Regel ist, kommt in Österreich als seltene Ausnahme vor. Auf Einladung des ÖAMTC analysierte eine Expertenrunde die Gründe.

Im letzten Jahr wurde im Auftrag des Sozialministeriums vom Institut für Höhere Studien ein Forschungsprojekt über Diskriminierung von Migranten am Arbeitsplatz durchgeführt. Trotz gleicher Qualifikation, österreichischer Staatsbürgerschaft und ausschließlich in Österreich absolvierter Schullaufbahn wurden Personen mit Migrationshintergrund und anderer Hautfarbe deutlich seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen als Personen ohne Migrationshintergrund. Erfolgt die Bewerbung anonym, gleichen sich die Einladungsraten einander an. Zwar sprechen die Ergebnisse eine klare Sprache, dennoch sind sowohl Unternehmer als auch Bewerber in Österreich von dieser Methode wenig überzeugt.

Durch anonymisierte Bewerbungen könnte die erste Hürde genommen werden, sagt August Gächter, Projektleiter Arbeit & Chancengleichheit am Zentrum für soziale Innovation. "Es entsteht von vornherein ein anderer erster Eindruck, und der wirkt im Vorstellungsgespräch noch nach." Diskriminierungen passieren häufig nicht vorsätzlich, sondern durch bestimmte Vorurteile und Klischees, die jeder im Kopf habe. "Die gute Absicht führt nicht zum Ziel, man muss sich deshalb selbst hinters Licht führen, sonst funktioniert es nicht."

Konkrete Anforderungen

Für Unternehmen bedeutet das, dass sie sich intensiver damit auseinandersetzen müssen, welche Qualifikationen relevant sind, und Bewerber müssen sich in einem solchen Prozess stärker mit dem Unternehmen auseinandersetzen. Mit standardisierten Online-Formularen könne zielgerichteter abgefragt werden. Die Erfahrungen aus einem Pilotversuch in Deutschland haben auch gezeigt, dass die Bewerber qualitativ höherwertiger waren, sagt Christine Lüders, Leiterin der deutschen Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

"Außerdem sind dadurch die Bewerbungen schneller vergleichbar", ergänzt sie. Die Ursache dafür, dass es dennoch so viel Widerstand gegen diese Bewerbungsform gibt, liegt für sie vor allem im Umstand, dass es für Recruiter bedeute, jahrzehntelang geübte Auswahlprozesse über Bord zu werfen. Und: "Veränderungen sind mühsam durchzusetzen. Wir sind hier erst am Anfang."

Der fehlende Druck auf Unternehmen sei für Gächter das größte Hindernis. Zwar sei das Diskriminierungsverbot Teil der österreichischen Verfassung, Unternehmen hätten aber kaum etwas zu befürchten, sagt er. "Denn falls jemand tatsächlich dagegen klagt, ist die Schadenersatzleistung derart niedrig, dass damit nicht einmal die Verhandlungskosten gedeckt sind."

Teil der Professionalisierung

Die anonymisierte Bewerbung sei für ihn aber ein wichtiger Teil der Professionalisierung des Recruitings; vorangetrieben werde diese Entwicklung durch internationale Konzerne. Denn nur so könne die Mitarbeiterauswahl tatsächlich über die jeweiligen Qualifikationen erfolgen.

Viele Unternehmen bringen als Gegenargument gerne ein, dass sie gerade Frauen oder Personen mit Migrationshintergrund einstellen möchten. "Das eine schließt das andere nicht aus", sagt Lüders. Denn man könne im Fragebogen sehr wohl nach diesen Merkmalen fragen.

Rewe International hat bereits einen Pilotversuch in Sachen anonyme Bewerbungen durchgeführt, mit mäßigem Zuspruch. Zwar werde diese Möglichkeit nach wie vor angeboten, doch nur wenige Bewerber nutzten sie. Lediglich drei Prozent der Bewerbungen würden über das anonymisierte Formular eingehen. Dennoch werde man diese Möglichkeit beibehalten. (DER STANDARD, 8./9.11.2014)