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Der philippinische Forscher Tony Evangelista vor einem Feld mit Goldenem Reis im International Rice Research Institute in Los Banos

Foto: Reuters / Erik de Castro

Aus aktuellem Anlass kehre ich zu einem Thema zurück, bei dem ich weiß, den Großteil aller STANDARD-User (und Österreicher) gegen mich zu haben – dem Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. Es gibt kaum eine andere Frage, die das Land so eint wie die Ablehnung gentechnisch veränderter Pflanzen.

Gentechnikfrei gilt heute als Synonym für gesundes oder zumindest nicht krank machendes Essen. Und eine wachsende Mehrheit nicht nur in Österreich, sondern auch im übrigen Europa und sogar in weiten Teilen der USA ist davon überzeugt, dass Gentechnik auch in Entwicklungsländern katastrophale Schäden anrichtet.

Wissenschaftler denken anders

Die Einzigen, die mehrheitlich anders denken, sind die Wissenschaftler, die sich professionell mit der Gentechnik beschäftigen. Auch an den Universitäten gibt es Gegner. Aber sie kommen meistens aus anderen Gebieten und gehen an das Thema ökologisch, soziologisch oder philosophisch heran. Wer im Labor mit Gentechnik arbeitet oder sich bei der Abschätzung der Folgen mit nüchternen Zahlen und Fakten auseinandersetzt, der kommt meist zu einem anderen Ergebnis.

Besonders aussagekräftig ist die jüngst publizierte Metastudie zweier Forscher der Universität Göttingen, die 146 einschlägige Studien aus den Jahren 1995 bis 2013 statistisch ausgewertet haben. Solche statistisch analysierte Gesamtschauen sind wissenschaftlich besonders wertvoll. Jede einzelne Studie mag Fehler aufweisen, aber in der Masse sollten sich diese ausgleichen.

Mehr Ertrag, weniger Pestizide

Das Ergebnis von Matin Qaim, dem Vorstand des Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen, und seinem Assistenten Wilhelm Klümper ist eindeutig: Der Einsatz von Gentechnik führt dazu, dass Bauern 37 Prozent weniger Pestizide einsetzen, 22 Prozent mehr ernten und ihre Gewinne trotz höherer Kosten für Saatgut um 69 Prozent steigen. Der Nutzen in Entwicklungsländern ist demnach noch höher als in Industriestaaten.

Nun hat sich Qaim im Zuge seiner Forschung schon früher für Gentechnik ausgesprochen. Eine 2012 veröffentlichte Langzeitstudie über indische Baumwollbauern zeigt, dass genveränderte Saaten den Kleinbauern bessere Erträge und höhere Gewinne bringen.

Aber das Entscheidende ist: Qaim ist kein Lobbyist der Agroindustrie, sondern einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet. Und wer davon überzeugt ist, dass seine Ergebnisse nicht stimmen können, muss erst einmal Fehler in den Ansätzen und der Methodik nachweisen – und das nicht nur bei Qaims Arbeit, sondern bei der von hunderten anderen aus aller Welt.

Kein Hinweis auf Gesundheitsrisiko

Die Frage des Gesundheitsrisikos durch Gentechnik war nicht Ziel seiner Forschung. Doch auch hier ist der aktuelle Wissensstand eindeutig: Keine einzige anerkannte Studie hat bisher eine Gefährdung durch gentechnisch veränderte Pflanzen feststellen können. Und beim sogenannten Goldenen Reis, der durch Gentechnik eine erhöhte Menge des lebenswichtigen Vitamin A enthält, steht der Nutzen außer Zweifel.

Eigentlich sollte es für nüchtern denkende Menschen, die grundsätzliches Vertrauen in die moderne Wissenschaft haben, keine Zweifel geben: Gentechnik ist sicher, bringt Vorteile und ist möglicherweise das entscheidende Instrument, um eine wachsende Weltbevölkerung in Zeiten des Klimawandels zu ernähren.

Wachsamkeit, nicht Gegnerschaft

Dass heutige Studien nicht dezidiert ausschließen können, ob die Gentechnik nicht ganz langfristig doch noch Schaden anrichten wird, ist klar. Aber das ist ein Argument für Wachsamkeit, nicht für fundamentale Gegnerschaft.

Dennoch ist es kaum zu erwarten, dass Studien wie diese zu einem Umdenken in der öffentlichen Meinung führen. Die Vorurteile über die Nutzlosigkeit und Gefährlichkeit der Gentechnik haben sich zu tief festgesetzt und breiten sich auch international immer weiter aus.

So zentral die Rolle der Wissenschaft in unserer Gesellschaft auch ist – in manchen Fragen steht sie selbst mit gut abgesicherten Erkenntnissen auf verlorenem Posten. (Eric Frey, derStandard.at, 11.11.2014)