Chrysanthemen mögen nährstoffreiche Erde und Sonne. Sie dankt es mit reichlich Blüten.

Illustration: Dennis Eriksson

Pflanzen von guter Herkunft und mit entsprechenden Manieren bedecken keusch ihre Samen, man nennt sie Bedecktsamer oder Angiospermen. Woher soll ein Mensch aber dann wissen, ob es sich um ein Männchen oder Weibchen handelt, wenn so ein Bedecktsamer vor ihm steht? Zu viel Scham macht das Leben auch nicht einfacher.

Ursprünglich, und das ist gut zu wissen, sind die Bedecktsamer eigentlich Zwitter. Sie bilden sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane aus, die, und das sollte jetzt nicht erstaunen, männliche wie weibliche Keimzellen hervorbringen. Das alles auf einem Individuum. Das sei jenen auf die letzte Seite des Stammbüchleins ihres Gewissens geschrieben, die beim Anblick von Lebewesen, deren Geschlecht nicht klar zuordenbar ist, sofort "Das ist wider die Natur" krakeelen und aus ihrem Unverständnis Ablehnung entwickeln.

Welternährer

Die Angiospermen halten sich also bedeckt, und das passt ganz gut ins Cottage der Stadt, wo die Damen sich im Feinkostgeschäft selbst Streichwurst hauchdünn aufschneiden lassen. Die Angiospermen sind uns allen bekannt, ernähren sie doch die Welt, speziell die Süßgräser Poaceae, unter ihnen Reis, Mais, Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Hirse und Rohrzucker. Sie erfreuen aber nicht nur die Wampe, sondern auch das Auge.

Die Bläuliche Rutenhirse Panicum virgatum, das Buntblättrige Rohrglanzgras Phalaris arundinacea picta und auch das Blaue Pfeifengras Molinia caerulea sind beispielhaft für die vielen wunderschönen Gräser, die sich immer breiterer Beliebtheit erfreuen. Gerade im November fallen sie auf, da rund um sie das Blattwerk welk, wenn nicht bereits abgefallen ist. Selbst noch im Saft, zeigen sie ihre Blütenstände den gesamten Winter hindurch, hochgereckt wie ein Mohikaner seinen Irokesen.

Bunte Kugeln

Apart und elegant, das gefällt auch den Damen mit der Streichwurst. Interessanterweise geben sich jene aber alles andere als stilsicher, wenn sie wie jedes Jahr ein paar Töpfe auf ihrer Terrasse mit knallbunten Chrysanthemenkugeln füllen und so für Farbtupfer sorgen, als ob Jackson Pollock mit ein paar Farbspritzern ein leberwurstfarbenes Maßkostüm "verarnulfrainerte".

Auch die Chrysanthemen, man könnte sie die "Guppys der Gärten" nennen, sind Bedecktsamer, und ihre Übersetzung Goldblume wird vom Biologielehrer höchstwahrscheinlich mit einem "sehr gut" benotet.

Die klassischen Herbstchrysanthemen sollten in nährstoffreiche Erde gepflanzt werden, am besten im bereits frostfreien Frühjahr. Das Substrat soll möglichst wasserdurchlässig sein, gut mit Kompost versorgte Sandböden scheinen ideal. Je mehr Sonne die Goldblume abbekommt, desto mehr Blütenstände kann sie bilden, desto intensiver wird ihr Leuchten, wenn es draußen früh dunkel wird. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 14.11.2014)