Die Seewiese am Wörthersee bei Klagenfurt: Was nach Freibad klingt, ist seit ein paar Jahren ein Ort, an dem durchaus ernstzunehmender Wein gedeiht.

Foto: Georges Desrues

Der Obmann des Kärntner Weinbauverbands ist Hobbywinzer. Gerade einmal 250 Rebstöcke verwaltet Horst Wild auf der Seewiese, einem Hang mit prachtvollem Blick auf den Wörthersee. Der Name der Lage mag mehr nach Freibad als nach großem Wein klingen, führt aber in die Irre: Der Kärntner Wein hat in den vergangenen Jahren eine mehr als erstaunliche Entwicklung durchgemacht und wird von Kennern längst nicht mehr als bloße Kuriosität angesehen, sondern ist drauf und dran, sich als spannende Ergänzung zu den anderen Weinbauregionen zu etablieren. Nur ein Hinweis: Gault Millau mag in der aktuellen Ausgabe seines Weinguides zwar nur einen Kärntner Winzer (nämlich Marcus Gruze vom Georgium) anführen, dessen Sekt allerdings schafft aus dem Stand, die zweitbeste Bewertung aller österreichischen Schaumweine - vor traditionsreichen Platzhirschen wie Bründlmayer, Steininger oder Schloss Gobelsburg.

Wilds winziger Weinberg hat dennoch Symbolwert, war doch die Kleinteiligkeit lange Zeit das Hauptmerkmal des Rebbaus in Kärnten, wo bis heute nur 80 Hektar mit Weinstöcken bepflanzt sind - eine Fläche, die einzelne Weingüter im nahen Italien locker allein bestellen. "Es ist wahnsinnig viel entstanden in den letzten zehn, fünfzehn Jahren", freut sich Wild, "noch im Jahr 2000 machte die gesamte Kärntner Rebfläche lediglich vier Hektar aus. Inzwischen gibt es an die 120 Winzer, von denen rund ein halbes Dutzend hauptberufliche Weinbauern sind."

1000 Jahre Weinbau

Einer von ihnen ist Erwin Gartner, der im Lavanttal knappe drei Hektar mit Riesling, Sauvignon blanc und Pinot Noir bewirtschaftet. "Hier hat der Weinbau eine tausendjährige Tradition, die einst von den Klöstern und Stiften ausgegangen ist", sagt der Literaturwissenschaftler und Vollerwerbswinzer seit dem Vorjahr, "im 17. Jahrhundert standen rund um die Stadt Wolfsberg noch 400 Hektar bepflanzt." Erst mit der Säkularisierung und der Auflösung der Klöster durch Josef II. sowie dem Fall der Schutzzölle und einhergehender Billigkonkurrenz aus anderen Teilen der Monarchie begann der Niedergang des Kärntner Weinbaus. Im späten 19. Jahrhundert kamen noch die Reblaus und der Mehltau dazu, die, so Gartner, "viele Kärntner Winzer zu ignorieren versuchten", anstatt zu reagieren, womit der Weinbau fast ganz zum Erliegen kam.

Bis Erwin Gartners Vater Herbert in den frühen 1970er- Jahren wieder begann und seitdem unangefochten als Pionier der Kärntner Wein-Renaissance gelten darf. Dass es jetzt generell wieder bergauf geht, freut nicht nur Gartner und Kollegen, sondern auch die Kärntner Touristik-Beauftragten, die naturgemäß hoffen, mit regionalem Weinbau wieder qualitätsbewusstere Gäste in das Bundesland zu locken, dessen Reputation durch Beachvolleyballturniere und GTI-Treffen etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Sonne und Schieferböden

Seit ein paar Monaten herrscht zudem einige Aufregung in der bislang so überschaubaren Kärntner Weinwelt. Der Unternehmer Alfred Riedl, Inhaber der Uhrenmarke Jacques Lemans, hat im Frühjahr rund um die Burgruine Taggenbrunn nahe dem Längsee auf einen Schlag eine Fläche von 26 Hektar mit Reben bepflanzen lassen, die bald auf 40 Hektar erweitert werden soll - und den selbstbewussten Namen Château Taggenberg tragen wird. "Es ist eine ideale Südlage, mit viel Sonne und auf günstigen Schieferböden" , erklärt Hubert Vittori, der für den Anbau verantwortlich zeichnet und selbst hauptberuflich Winzer ist. Und weil zu einem Château naturgemäß auch ein Weingut gehört, entsteht am Fuße des Ruinenhügels gerade ein imposanter Gebäudekomplex, in dem außer der Kellerei auch ein Besucherzentrum und ein Gastronomiebetrieb untergebracht werden sollen.

Nur wenige Kilometer entfernt hat mit Marcus Gruze ein weiterer Winzer das Image des Kärntner Weins in den letzten Jahren gehörig aufpoliert. "Was rund um die Ruine geschieht, ist gänzlich zu begrüßen, weil es den Kärntner Wein allgemein ins Gespräch bringt", findet Marcus Gruze, der direkt am Ufern des Längsees und zu Füßen des Stiftes St. Georg sein Weingut Georgium samt gefeiertem Restaurant betreibt. Bereits im 12. Jahrhundert wurde hier Weinbau betrieben. "Wenn wir uns ehrlich sind, braucht heute kein Mensch Kärntner Wein", sagt der junge Winzer, der sich gerne in Lederhosen und mit Schiebermütze zeigt, "aber wir sind eben hier daheim und wollen herausfinden, was unser Terroir ausmacht und wie wir es transportieren können." Im seinem Fall geschieht das durch möglichst naturbelassene Weine mit langer Maischestandzeit, wie sie international stark im Trend liegen, und mit denen Gruze längst auch außerhalb Kärntens Erfolge feiert und in zahlreichen Spitzenlokalen vertreten ist.

Kärntner Wein vom Texaner

Eine weitere originelle Winzer-Realität bildet das Gespann aus dem Jungwinzer Georg Lexner und seinem Partner Sem Kegley vom Weingut Karnburg nahe Klagenfurt. "Als ich 1995 meinen ersten Weingarten in Kärnten setzte, wurde ich noch verspottet. Inzwischen hat sich das geändert", sagt Wahlkärntner Kegley, ein gebürtiger Texaner mit Pferdeschwanz und Latzhose, der einst beim Wiener Musikhaus Doblinger beschäftigt war. Gemeinsam mit Lexner und dessen Vater wurde das Weingut in den folgenden Jahren sukzessive vergrößert, sodass heute, zum Teil auf Terrassen, eine Fläche von sechseinhalb Hektar bewirtschaftet wird. Darauf gedeihen ziemlich elegante Weiß- und Rotweine aus den Sorten Chardonnay, Grauburgunder, Sauvignon blanc, Zweigelt und Pinot Noir.

Ebenfalls Quereinsteiger ist Hans Gritsch, der 2005 seine erste Rebe pflanzte und sich bis dahin als Obstbauer und Erzeuger von Apfelessig und -most einen Namen machte. Inzwischen bewirtschaftet er unter dem Hofnamen Lenzbauer eine Fläche von 0,75 Hektar Wein mit Müller-Thurgau, Weiß- und Grauburgunder sowie Traminer. "An sich entwickelt sich der Kärntner Weinbau prächtig", sagt Gritsch, "das Problem ist nur, dass wir bei den Besuchern oft besser ankommen als bei den Kärntnern selbst." Aber auch das könnte sich bald ändern. Spätestens dann, wenn in drei Jahren die Weine des Château Taggenberg auf den Markt kommen - und Kärntens Stolz als Weinland endlich auch mit entsprechenden Flächen untermauert wird. (Georges Desrues, Rondo, DER STANDARD, 14.11.2014)