München - Die heute gängigen Antidepressiva wirken bei einem Drittel aller Patienten mit Depressionen nicht. Der Arzneistoff Ketamin hingegen, der hauptsächlich in der Anästhesie, aber auch als Rauschdroge genutzt wird, besitzt einen speziellen Wirkungsmechanismus und lindert die Symptome auch bei therapieresistenten Patienten innerhalb weniger Stunden – allerdings mit deutlichen Nebenwirkungen wie Halluzinationen, Übelkeit und Erbrechen.

Für die Entwicklung alternativer Medikamente, die genauso schnell ansprechen wie Ketamin, aber deutlich weniger unerwünschte Effekte haben, ist ein besseres Verständnis der molekularen Grundlagen entscheidend. Forscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben nun erstmals veränderte Stoffwechselprodukte, betroffene Signalwege und mögliche Biomarker bei Mäusen identifiziert, die für eine erfolgreiche Behandlung mit Ketamin entscheidend sind.

Wirksam binnen Stunden

Ketamin wird vorwiegend als Narkosemittel eingesetzt, wirkt aber auch als schnelles Antidepressivum. Für die Behandlung von Patienten, die auf klassische Antidepressiva nicht ansprechen, ein großer Vorteil: Im Gegensatz zu anderen Mitteln lindert Ketamin die Symptome bereits nach wenigen Stunden. Da das Medikament aber Halluzinationen auslösen kann, wird es nicht als Standardtherapie verschrieben.

Die Forscher um Christoph Turck untersuchten nun die Wirkung von Ketamin im Hippocampus von Mäusen. Der Hippocampus ist eine Gehirnregion, die bereits in früheren Studien mit Depression in Zusammenhang gebracht wurde. Depressive Patienten zeigen häufig Beeinträchtigungen ihrer Gedächtnisleistung, die durch den Hippocampus gesteuert wird. Darüber hinaus wurden bei diesen Patienten veränderte Verknüpfungen zwischen verschiedenen Hirnregionen beobachtet.

Mehr Energie für Gehirnzellen

In Experimenten zeigten sich bereits zwei Stunden nach der Gabe von Ketamin Veränderungen im Energiestoffwechsel der Hippocampuszellen der Mäuse. "Solche Veränderungen, wie z. B. der Glykolyse und dem Zitronensäurezyklus, wurden zusammen mit Störungen der Mitochondrien bereits zuvor mit affektiven Störungen und Depression in Verbindung gebracht", erklärt Katja Weckmann, Erstautorin der Studie.

Die Forscher fanden heraus, dass Ketamin den Energiestoffwechsel in den Gehirnzellen verlagert und so dafür sorgt, dass den Zellen deutlich mehr Energie zur Verfügung steht. Außerdem aktiviert Ketamin Signalwege, die zur Bildung frischer Proteine an den Synapsen führen. "All diese Beobachtungen könnten die schnellere Wirkung von Ketamin im Vergleich zu gängigen Antidepressiva erklären", so Turck.

Die Ergebnisse sind vielversprechend: Das Verständnis der molekularen Mechanismen von Ketamin könnte die Entwicklung alternativer Medikamente ermöglichen, die genauso schnell ansprechen, aber weniger Nebenwirkungen haben. (red, derStandard.at, 11.11.2014)