Für Lilge ist die Novelle ein Fortschritt - aber kein wirklich großer.

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Bei der Tour de France 2008, die er als Dritter beenden sollte, präsentiert Bernhard Kohl stolz das Trikot des besten Bergfahrers. Frage: Hätte der Niederösterreicher auch gedopt, wenn ihm Haft gedroht hätte?

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Wien - Es geht etwas weiter im österreichischen Sport. Diesen Eindruck zu vermitteln, gibt sich Gerald Klug (SPÖ), seit er im März 2013 die Nachfolge von Norbert Darabos als Sportminister antrat, jedenfalls nicht wenig Mühe. Ein Gesetz jagt quasi das andere, mit Jahresbeginn 2015 wird eine Anti-Doping-Gesetzesnovelle in Kraft treten. Doch wie bei der, nicht zuletzt via Verbandsranking, neuaufgestellten Sportförderung regt sich auch hier Kritik.

Klugs Pech in dem Zusammenhang, wenn man so will, ist die Tatsache, dass auch Deutschland gerade ein Anti-Doping-Gesetz auf den Weg schickt. Es soll ebenfalls 2015 in Kraft treten, etwas später als das österreichische. Dafür geht der deutsche Entwurf, den Justizminister Heiko Maas (SPD) einen "Meilenstein" nennt, weit über den österreichischen hinaus. Erstmals können dopende Sportler strafrechtlich belangt werden, ihnen drohen Haftstrafen von bis zu drei Jahren. Schon der Besitz von Dopingmitteln, egal in welcher Menge, wird unter Strafe gestellt, Hintermännern von Dopingsündern drohen bei schweren Vergehen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Doping geht laut dem deutschen Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) "nicht nur den Sport an. Sondern das ist ein strafwürdiges Verhalten".

Österreich ist milder

Das alles relativiert die "Verschärfungen" des Gesetzes in Österreich, wo Eigendoping im Sport weiterhin nicht das Strafrecht tangiert. Ersttätern drohen künftig vier statt zwei Jahre Sperre, verurteilte Trainer oder Mediziner dürfen keine Sportler mehr betreuen. Wilhelm Lilge, Leichtathletik-Trainer und anerkannter Dopingbekämpfer, spricht von einem "Fortschritt, der prinzipiell zu begrüßen" sei, aber auch vom "Versäumnis, einen wirklich großen Schritt voranzukommen".

Lilge hofft, dass Österreich den Deutschen nacheifern wird. "Schließlich gibt es keinen anderen Lebensbereich, wo derartige Vergehen so lächerlich bestraft werden." Auch im Sport stehe oft viel Geld auf dem Spiel, es gehe um Prämien, öffentliche Förderungen, Sponsorgelder. Ein strengeres Gesetz würde auch "ehrliche Sportler schützen". Lilge wünscht sich lebenslange Sperren für Ersttäter und die Streichung von Dopingsündern aus allen Rekordlisten. Und natürlich sollte Sportbetrug, also Doping, als Betrug gelten und somit einen Straftatbestand darstellen.

Hormone, Anabolika, Epo

Da redet Lilge nicht vom irrtümlich eingesetzten Nasenspray, da redet er von bewusstem schweren Doping mit Hormonen, Anabolika oder Epo. "Man kann es auch positiv sehen. Ein ordentliches Gerichtsverfahren gibt einem Sportler die Chance, sich entsprechend zu verteidigen." Kein Sportler ist als Doper, keine Sportlerin als Doperin auf die Welt gekommen. Doch irgendwann steht der Sportler, steht die Sportlerin vor der Entscheidung, ob er oder sie bereit ist, das Dopingrisiko einzugehen. Lilge: "Da wird abgewogen. In Deutschland droht bald Haft, eine ordentliche Abschreckung. In Österreich droht eine Sperre. Das ist, als würde man einen Serieneinbrecher dazu verurteilen, dass er zwei oder vier Jahre nicht mehr einbrechen gehen darf. Aber die Villa, die er sich schon verdient hat, darf er behalten."

Das Kernproblem im österreichischen Sport ist für Lilge "der parteipolitische Einfluss. Das hat uns den Murks bei den Sportstrukturen, beim Fördersystem und auch bei der Dopingbekämpfung beschert. Die relevanten Gesetze werden von Politikern verabschiedet, die selbst in den Verbänden und Institutionen sitzen und sich nicht wehtun wollen." So gesehen geht in Österreich nur langsam etwas weiter. Diesen Eindruck wird Wilhelm Lilge nicht und nicht los. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 13.11.2014)