Vor zwei Jahren brachte Amazon mit dem ersten Kindle Paperwhite einen E-Book-Reader auf den Markt, dessen beleuchtetes Display der Leseerfahrung auf Papier näher kommen sollte. Nun hat das Unternehmen die neueste Kindle-Generation vorgestellt: Beim Voyage wurde die Paperwhite-Technologie weiter verbessert. Aber auch sonst gibt es ein paar Neuheiten.

High-End-Kindle mit High-End-Preis: der neue Voyage.
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Design

Amazon bleibt mit seiner Reader-Serie einem 6 Zoll großen Display treu – etwas größer als ein Reclam-Heft. Beim Voyage ist der Bildschirm in ein schwarzes Gehäuse mit gummierter, rutschfester Rückseite gefasst. Der Rand um den Screen ist breit genug, um das Gerät komfortabel halten zu können, ohne den Touchscreen zu berühren und ein versehentliches Umblättern zu riskieren. Auf der Rückseite befindet sich die Einschalttaste. Komplett ausgeschaltet ist das Display aber nie – im Standby-Modus werden stets Hintergrundbilder angezeigt.

Dank gummierter Rückseite rutscht der Kindle Voyage nicht so leicht aus der Hand.
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Im Vergleich zum Paperwhite hat Amazon den neuen Kindle eine Spur schlanker und leichter gebaut. So ist der Voyage mit 162 x 115 x 7,6 Millimetern rundum etwas kompakter. Auffälliger ist die Gewichtsreduktion. Mit 180 Gramm für die WLAN-Version und 188 Gramm für das Modell mit integriertem 3G-Modul ist der E-Book-Reader nun fast 30 Gramm leichter. Den Voyage mit einer Hand zu halten fällt so auch zu fortgeschrittener Lesestunde nicht schwer.

Druckempfindliche Sensoren an beiden Seiten – erkennbar durch Punkt und Strich – ermöglichen Umblättern mit einer Hand.
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Einhändige Bedienung

Apropos einhändig: Zusätzlich zum Touchscreen kann man den Voyage über die neue Pagepress-Funktion bedienen. Im Rand um das Display befinden sich links und rechts jeweils zwei Stellen mit druckempfindliche Sensoren zum Vorwärts- und Zurückblättern. So kann man mit dem Daumen umblättern, egal mit welcher Hand man den Kindle hält. Ob man dafür nur leicht tippen muss oder einen stärkeren Druck bevorzugt, lässt sich nach Geschmack einstellen. Und wer möchte, kann das Blättern durch haptisches Feedback – also ein kurzes Vibrieren – bestätigen lassen. Auch das ist in unterschiedlichen Stärken einstellbar.

Kein Wasserschutz

Worauf man leider gänzlich verzichten muss: In die Badewanne sollte man den Voyage nicht mitnehmen, denn das Gehäuse ist nicht wasserdicht. Konkurrenzmodelle wie der Aura H2O von Kobo haben hier die Nase vorne.

Beleuchtetes Display

Das Herzstück des Lesegeräts ist das Display. Hier setzt Amazon auf den E-Ink-Screen "Carta". Die Auflösung wird im Vergleich zum Paperwhite von 212 auf 300 ppi erhöht. Das Schriftbild ist damit so scharf wie gedruckt. Neu ist zudem das "intelligente" Frontlicht. Je nach Umgebungsbeleuchtung wird die Helligkeit automatisch reguliert.

Die Helligkeit lässt sich in 24 Stufen manuell und automatisch regulieren.
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In hellen Räumen wird der Screen auf eine hohe Einstellung geregelt, in dunkler Umgebung auf eine niedrige. In besonders dunklen Räumen kann man die Nachtlichtfunktion aktivieren. Dabei wird die Helligkeit graduell verringert, während sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnen. Das Ganze hat den Vorteil, dass die Augen durch die gesteuerte Beleuchtung nicht so schnell ermüden. Wer der automatischen Regulierung nicht vertraut, kann die Helligkeit auch selbst steuern.

Das Display des Testgeräts war relativ gleichmäßig beleuchtet, wenngleich es in den unteren Ecken eine Spur heller erscheint. Bei einem höheren Blickwinkel zeigte sich zudem ein leichter Farbstich. Das kann beim Lesen in gewisser Haltung etwas störend wirken. Weitgehend hat man jedoch den Eindruck, tatsächlich eine gedruckte Seite vor sich zu haben. Dazu trägt auch das mattierte Display-Glas bei, das Spiegelungen stark reduziert. Die auf den Fotos sichtbaren Reflexionen fallen beim Lesen weniger stark auf. Dank chemischer Härtung soll das Glas auch widerstandsfähiger sein.

Reflexionen fallen dank der mattierten Scheibe minimal aus.
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Lesefunktionen

Wie beim Paperwhite kann man Wörter in einem Wörterbuch und gleichzeitig auf Wikipedia nachschlagen, indem man den gesuchten Begriff am Touchscreen markiert. Alternativ kann man auch frei gewählte Begriffe über ein Suchfeld eingeben. Auch eigene Notizen sind möglich. Eine physische Tastatur gibt es nicht, das Tippen über das Software-Keyboard funktioniert nicht sehr flüssig. Sofern ein Buch das X-Ray-Feature unterstützt, können auch weitere Informationen zu Figuren oder Schauplätzen abgerufen werden. Prinzipiell steht auch ein Browser zur Websuche zur Verfügung, der sich jedoch noch in der Beta-Version befindet und WLAN voraussetzt. Einen Mehrwert bringt er kaum, da die Seitendarstellung mangelhaft und Scrollen nur stotternd funktioniert.

Markierte Wörter werden automatisch in Wikipedia und im Wörterbuch nachgeschlagen.
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Für die Anzeige des E-Book-Textes kann man aus sechs Schriftarten, jeweils drei Optionen für Zeilenabstand und Seitenränder sowie acht Schriftgrößen wählen. Die Einstellungen und auch die Suchfunktion nach Inhalten im Amazon-Shop können durch das Antippen des oberen Displaybereichs aufgerufen werden. Insgesamt ist die Bedienung des Kindles sehr intuitiv gestaltet. Auch E-Book-Einsteiger dürften sich schnell mit dem Gerät vertraut machen.

Eine Zusatzspielerei, die jedoch nicht sehr überzeugend arbeitet: Über WLAN kann mit einem Browser auch im Internet gesurft werden.
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Shopping

Was unter dem Display, das sich hervorragend zum Lesen eignet, etwas leidet, ist die Suche nach neuen Büchern. Der Bildschirm kann 16 Graustufen darstellen, Buchcover werden dadurch auf ein kleines, graues Bildchen reduziert. Und so gut auch Schrift dargestellt wird, bei den Icons der Benutzeroberfläche erscheint das Display teilweise pixeliger und uneinheitlicher.

Büchershopping direkt am Kindle – flott, aber der optische Genuss hält sich aufgrund des Graustufendisplays in Grenzen.
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Auch das Scrollen durch die Titel im Shop ist etwas mühsam. Man hat eben kein schnelles Tablet, sondern einen E-Book-Reader vor sich. Immerhin kann man aber neue Bücher beispielsweise auf einem großen Computerbildschirm kaufen - über die kostenlose Cloud stehen alle Amazon-Inhalte auch am Kindle zur Verfügung. Intern stehn 5 GB Speicher zur Verfügung.

Formatfrage

Andere unterstützte Dateien lassen sich über eine eigene E-Mail-Adresse auf das Gerät schicken. Neben den Kindle-Formaten unterstützt der Reader auch TXT, PDF, ungeschützte MOBI und PRC sowie andere Dateien wie HTML, DOC, DOCX oder JPEG nach Konvertierung. EPUB-Dateien wird nicht unterstützt. Bücher in diesem Format können allerdings mit Tools wie der E-Book-Management-Software Calibre ebenfalls konvertiert und Kindle-fertig gemacht werden.

Zur Datenübertragung bietet sich grundsätzlich WLAN an. Etwas mühsam: das Gerät merkt sich bekannte Netzwerke nicht, Passwörter müssen immer neu eingegeben werden. Optional gibt es auch ein Modell mit 3G. Wie bei den Kindles üblich, benötigt man dafür keine eigene SIM-Karte und keinen Datentarif. Amazon-3G funktioniert auch in Österreich Out-of-the-Box ohne zusätzliche, monatliche Kosten. So können Bücher auch dort rasch geladen werden, wo kein kabelloses Netzwerk verfügbar ist.

Akkulaufzeit

Zum Aufladen des Geräts über den Computer ist nur ein USB-2.0-Ladekabel im Lieferumfang enthalten. Direkt an der Steckdose kann der Kindle damit nicht vollgetankt werden. Ein optionales Ladegerät gibt es um 15 Euro. Das vollständige Aufladen dauert etwa drei Stunden. Dank seiner Displaytechnologie arbeitet der Reader sehr stromsparend, sodass man laut Hersteller bis zu sechs Wochen lang damit lesen kann. Vorausgesetzt man liest nur eine halbe Stunde pro Tag bei einer Display-Helligkeitsstufe von 10 (von insgesamt 24) und deaktiviertem WLAN. Da das Testgerät der Redaktion nicht so lang zur Verfügung stand, konnte die Angabe von sechs Wochen nicht überprüft werden. Im Test war der Akkuladebalken nach einer Woche bei Helligkeitsstufe 17, mehrstündigem Lesen und Herunterladen mehrerer Bücher über WLAN noch zu drei Viertel gefüllt.

Fazit

Der Kindle Voyage ist ein sehr gutes Lesegerät - leicht und auch einhändig einfach zu bedienen. Dass man darüber nicht in Buchcovern schmökern kann und Illustrationen auf Graustufen beschränkt sind, liegt in der Natur der Sache. Hier konzentriert man sich aufs Lesen. Dafür ist das Display, wenngleich nicht perfekt, hervorragend geeignet. Wermutstropfen sind der fehlende Wasserschutz, vor allem aber der hohe Preis ab 189 Euro. Die 3G-Version schlägt sogar mit 249 Euro zu Buche. Der normale Kindle kostet hingegen nur mehr 59 Euro, der Paperwhite 99 Euro. (Birgit Riegler, STANDARD, 21.11.2014)