Krimi-Autorin Eva Rossmann: "Ich will meine journalistische Vergangenheit nicht ablegen."

Foto: Heribert Corn

Wenn bei Eva Rossmann "Kriminalroman" draufsteht, dann stimmt das - aber nicht nur. Denn gleichzeitig blättert man in einem fundiert recherchierten Sachbuch. Also dramatisierte Nonfiction? Oder doch eher realitätsverhaftete Belletristik? Beides. Und natürlich, zum Drüberstreuen, handelt es sich auch um ein Kochbuch; oder wenigstens um einen Gourmet-Guide. Denn Rossmann ist nicht nur Krimiautorin und Journalistin, sondern - in der Folge ihrer Recherchen für Ausgekocht - auch Köchin: Seit 2002 kocht die gebürtige Grazerin mit Wahlheimat Weinviertel im Wolkersdorfer Gasthaus Zur alten Schule.

Auch Alles rot, ihr neuestes Buch, ist ein Degustationsmenü in drei Gängen. "Natürlich ist es vor allem ein Krimi", sagt Rossmann im Gespräch mit dem Standard. "Ich liebe es, faszinierende Themen zu recherchieren und in Romane zu packen. Da kann und will ich meine journalistische Vergangenheit gar nicht ablegen und verleugnen."

Diesmal ist das Ambiente nicht jenes sinnlich-lustvolle der Gastronomie, sondern das der vergleichsweise rational-spröden Europäischen Union - genauer gesagt: jenes der Wirtschaftskrise in Zypern. Da erfahren wir, wie Rossmann-Serienheldin Mira Valensky und ihre Freundin Vesna Krajner zwischen Nikosia, Wien und Brüssel ihre Nasen in verbrecherische Machenschaften anderer stecken - natürlich ungefragt.

Da geht es um eine Theatertruppe, die mit einer modernen Othello -Inszenierung auf europaweite Tournee geht. Und so wie in der Shakespeare'schen Vorlage gibt es auch im "echten" Leben (sprich: in jenem des Krimis) böse Einflüsterer, die den Blick auf die Realität trüben, die Protagonisten hinterhältig manipulieren und so für Hass und wütende Ohnmacht sorgen. Es kommt zu Mord, logisch.

Opfer ist die Leiterin einer EU-Taskforce in Zypern, Dagmar Wieser, eine Deutsche. Zufall? Wohl kaum. Das bestätigt Rossmann auf Nachfrage auch offen und unumwunden: "Natürlich soll das eine Parallele zu unserer Gegenwart sein. Die Deutschen sind in Zypern - aber eigentlich in der gesamten Europäischen Union - vielfach zu Feindbildern geworden. Sie sind die Streber, die allen anderen zeigen müssen, wo es langgeht und was zu tun ist." Sich als Deutsche nach Zypern zu begeben, das konnte also nicht gut ausgehen - zumindest nicht in der Krimifiktion.

Groll und Hass

"Die Zyprer hingegen sind den Österreichern sehr ähnlich", fährt die Autorin fort, die kürzlich mit dem Leo-Perutz-Preis der Stadt Wien für Kriminalliteratur 2014 ausgezeichnet wurde. "Als Volk eines kleinen Landes haben sie gelernt, ihren eigenen Weg zu gehen." Und auf diesem Weg gehört es offenbar dazu, den aufgestauten Groll und Hass auf die Verkörperung Europas zu projizieren: Deutschland. Und so bringen sie dessen Repräsentantin brutal um die Ecke.

Doch so einfach ist der Plot freilich nicht: Es kommen noch glühende Leidenschaft und rasende Eifersucht ins Spiel - mit freundlichen Grüßen von Othello. Und dann liegt ja noch das wirtschaftspolitische Sach- und das levantinische Kochbuch vor uns.

Jedem einzelnen Absatz des Buches ist anzumerken, dass er nicht unüberlegt, nicht absichtslos so geschrieben wurde; niemals ist er bloß Füllmaterial oder Überbrückung. Überall ist die Verklammerung mit dem "echten-echten" Leben - also Ihrem und meinem - zu erkennen. "Alle Schauplätze, nicht nur in Wien, sondern auch in Brüssel oder in Zypern, sind authentisch. Schauen Sie nach: Die Polizeistation dort ist tatsächlich so unscheinbar und vernachlässigt", versichert Rossmann.

Dann teilt sie wohl die Ansicht der US-Edelfeder Tom Wolfe, der dereinst postulierte, das wichtigste an einem Roman sei die Recherche, denn sie mache 80, ja sogar 90 Prozent der gesamten Arbeit aus, während Fantasie und Schreibkunst nachrangig seien? "Doch ja, dem kann ich sicher zustimmen", sagt Rossmann.

Im Bemühen, die Realität abzubilden, übertreibt es die Autorin aber fallweise mit den Dialogen. Zwar sind sie inhaltlich stichhaltig, doch manchmal redundant. Sie wirken dann so, als wolle Rossmann ihren Lesern gewisse Aspekte von EU-Euphorie oder EU-Skepsis ganz besonders deutlich machen - manchmal eben eine Spur zu viel. Da ist es schon überraschender, dass es zwischen Zypern und dem Weinviertel düstere Verbindungen in Form von Spekulationsgeschäften gibt, nicht nur fiktional. Diese werden - dramaturgisch geschickt platziert - erst am Ende des Buches klarer.

Kaum verwunderlich, dass Mira Valensky alle Machenschaften aufdeckt und allerlei gefährliche und einige nur vermeintlich bedrohliche Situationen überlebt; denn schließlich muss sie weiter ermitteln: Das nächste Mal, verrät Rossmann, stolpert sie in das dunke Reich der vietnamesischen Textilindustrie. Profit durch Ausbeutung. "Daran recherchiere ich schon lange Zeit, und auch von diesen Missständen will ich in spannender Art und Weise erzählen." (Gianluca Wallisch, Album, DER STANDARD, 15./16.11.2014)